Antibiotika: Steigender Marktdruck erhöht Gefahr von Lieferengpässen

Generika haben einen hohen Anteil an der Versorgung mit Antibiotika von 84 Prozent im ambulanten und 87 Prozent im stationären Bereich. In jüngster Zeit konnten allerdings vor allem Krankenhäuser immer wieder nicht ausreichend beliefert werden. Aktuelle Marktentwicklungen sind laut Experten eine der Ursachen dieser Lieferengpässe.

Titel der Studie: Versorgungsrelevanz generischer Antibiotika – Marktentwicklung, Regulierung und Versorgungssicherheit

Hintergrund: Berichte von Lieferengpässen bei Antibiotika vor allem im stationären Bereich.

Fragestellung: Welchen Einfluss haben Marktentwicklungen und Regulierungsinstrumente auf die Versorgung mit Antibiotika und welche Rolle spielen Generika dabei?

Methode: Berechnungen zur Entwicklung des Antibiotikamarktes (Umsatz, Verbrauch, Marktkonzentration) im ambulanten und stationären Sektor in Deutschland (2005 bis 2015).
Datenbasis: Verordnungs- und Verbrauchsdaten aus: INSIGHT Health NVI, IMS Health DKM®, Festbetragsstufen und Erstattungsniveaus nach Lauer-Taxe®

Ergebnisse: Generische Antibiotika haben eine hohe Versorgungsrelevanz mit 84 und 87 Prozent Verbrauchsanteil im ambulanten bzw. stationären Bereich. Es zeigt sich ein steigendes Risikopotenzial für Lieferengpässe: im ambulanten Sektor durch ein stark sinkendes Preisniveau und sinkende Anbieterzahlen, im stationären Bereich ebenfalls durch stark sinkende Preise trotz höherer Anforderungen an die Produktion (hoher Anteil von parenteralen Lösungen).

Auftraggeber: Pro Generika e.V.

Schlagwörter: Generika, Antibiotika, Versorgung, Arzneimittelmarkt, Rabattverträge

Berlin, 14. Februar 2017 (IGES Institut) - Das zeigen Analysen des IGES Instituts im Auftrag des Verbandes Pro Generika. Danach ist der Antibiotikaverbrauch seit 2005 im ambulanten Sektor weitgehend konstant. Im stationären Bereich stieg er hingegen um 60 Prozent auf rund 100 Millionen Tagesdosen in 2015 stark. Gleichzeitig sank im gleichen Zeitraum der durchschnittliche Umsatz pro Tagesdosis um 36 Prozent, da immer mehr kostengünstigere Generika eingesetzt werden.

Produktionspuffer werden erschwert

Diese Entwicklung sehen die IGES-Experten jedoch als einen Risikofaktor für Lieferengpässe. So sind die Anforderungen an die Herstellung von Antibiotika für den Krankenhausmarkt besonders hoch, da sie dort zu 60 Prozent als aufwändig zu produzierende Injektions- oder Infusionslösung angewendet werden. Der hohe Preisdruck kann aber Anbieter zunehmend davon abhalten, Produktions- oder Lagerkapazitäten vorzuhalten. Gelegentlich auftretende Herstellungsprobleme können dann immer schwerer abgefedert werden.

Anbieterrückgang erhöht Risiko für Lieferengpässe

Auch im ambulanten Bereich sanken die Preise. Das Risiko von Lieferengpässen geht hier aber stärker von der beobachteten, zunehmenden Marktkonzentration bei den Herstellern aus. Bei innerlich wirkenden – systemischen - Antibiotika, die 75 Prozent des Verbrauchs ausmachen, sank die Anbieterzahl seit 2005 um zehn Prozent auf 84. Die Anzahl der Wirkstoffe mit mindestens 15 Anbietern reduzierte sich von acht auf zwei. 23 Wirkstoffe, rund 33 Prozent aller antibiotischer Wirkstoffen, wurden 2015 nur von einem Konzern angeboten.

Zugleich sind 90 Prozent der Generikaverordnungen inzwischen reguliert, über Rabattverträge mit und ohne Festbeträge. Rund ein Drittel der Rabattverträge war 2014 über Ein-Partner-Modelle ausgeschrieben. Den IGES-Autoren zufolge verstärkt dies die zunehmende Marktverengung auf wenige Anbieter und macht die Versorgung anfälliger für Lieferengpässe, auch wenn diese anders als im stationären Bereich in der ambulanten Versorgung bisher seltener gemeldet wurden.

Ursachen der Lieferprobleme im Blick behalten

Um Lieferengpässe künftig zu vermeiden zielten den IGES-Autoren zufolge jüngste regulative Maßnahmen und Reformvorschläge vor allem auf die Informationslage und ein verbessertes Engpass-Management ab. Nötig sei es aber vielmehr, an den Ursachen von Lieferproblemen etwas zu verändern. Dazu gehöre letztendlich, die Zahlungsbereitschaft des Gesundheitssystems für Antibiotika zu erhöhen.

2015 lag der Umsatz mit systemischen Antibiotika im ambulanten Sektor bei 280 Millionen Euro, berechnet nach Abgabepreisen der pharmazeutischen Unternehmer (Listenpreise). Bezogen auf den entsprechenden Gesamtumsatz für ambulant abgegebene Fertigarzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Höhe von 24 Milliarden Euro waren dies rund 1,2 Prozent.