Fortschritte und Hemmnisse bei der Digitalisierung der ambulanten Versorgung
Die Digitalisierung vor Ort in den ärztlichen- und psychotherapeutischen Praxen schreitet zwar weiter voran. Doch der Austausch mit anderen Ärzten oder Kliniken erfolgt weiterhin überwiegend in Papierform. Auch digitale Angebote für Patienten sind bisher selten zu finden. Dabei sind große Teile der Praxen der Digitalisierung generell positiv gegenüber eingestellt. Doch Sicherheitsbedenken und der erhöhte Umstellungsaufwand sind für Ärzte die wichtigsten Ursachen, warum die Digitalisierung in einigen Bereichen der ambulanten Versorgung stagniert.
Berlin, 07. November 2019 (IGES Institut) - Das sind Ergebnisse des zweiten PraxisBarometers Digitalisierung, das IGES-Wissenschaftler im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erstellt haben. Es geht auf eine repräsentative bundesweite Befragung von rund 2.000 Arzt- und Psychotherapeutenpraxen zurück. Die Erhebung gibt einen umfassenden Überblick über den Stand der Digitalisierung in der ambulanten Versorgung und erfolgte 2018 das erste Mal.
Fortschritte bei der digitalen Praxisorganisation
Im Hintergrund der öffentlichen Diskussion zeigt sich der Digitalisierungsfortschritt bisher vor allem beim Praxismanagement und der Praxisorganisation. Bei rund drei Vierteln (76 Prozent) der Arztpraxen ist die Patientendokumentation digitalisiert. Bei der Erhebung 2018 waren dies nur 58 Prozent gewesen. Fast 60 Prozent der Praxen organisieren aktuell Termine und Wartezeiten nahezu komplett digital (2018: 56 Prozent).
Vorreiter sind vor allem größere Praxen. Doch auch bei den in der Regel kleineren Hausarztpraxen zeigen sich Fortschritte. Fast 80 Prozent verfügen über medizinische Geräte mit digitalen Schnittstellen. Zwei Drittel und damit deutlich mehr als 2018 nutzen digitale Anwendungen zur Arzneimitteltherapiesicherheit.
Psychotherapeuten führend bei digitaler Patientenkommunikation
Zugenommen hat auch die digitale Patientenkommunikation. Führend sind dabei vor allem die Psychotherapeuten: Rund 44 Prozent der Praxen kommunizieren mindestens zur Hälfte digital mit ihren Patienten. 2018 waren es noch 22 Prozent.
Arzt-Arzt-Kommunikation erfolgt weiterhin in Papierform
Demgegenüber stehen jedoch weiterhin Bereiche, wo die Digitalisierung nur langsam vorangeht. Am deutlichsten zeigt sich bei der Zusammenarbeit der verschiedenen Leistungserbringer untereinander. 85 Prozent der der Praxen kommunizieren mit anderen Praxen überwiegend oder komplett in Papierform. Mit Krankenhäusern bleibt der Austausch weiterhin nahezu ausschließlich papierbasiert. Ausnahmen sind große Praxen mit spürbarer steigender Tendenz: Kommunizierten 2018 nur acht Prozent mit Kliniken mindestens zur Hälfte digital, waren es 2019 bereits 23 Prozent.
Der digitale Austausch von Behandlungsdaten konzentriert sich derzeit noch weitgehend auf Labordaten. Ursachen hierfür sind immer noch, dass das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur (QES) für viele Praxen eine Hürde darstellt, sowie unzureichende Interoperabilität der Systeme.
Kritischer Blick der Ärzteschaft auf Fernbehandlungen
Nicht überraschend ist ferner, dass elektronische Gesundheitsakten weiterhin noch keine Rolle spielen. Immerhin gab jede fünfte Praxis an, zumindest teilweise Patienten zu haben, die eine elektronische Akte nutzen. Aber auch die Praxen selbst halten aktuell kaum digitale Angebote wie etwa Online-Terminvergaben vor. Nur 40 Prozent bieten entsprechendes an. Gegenüber ausschließlichen Fernbehandlungen bestehen noch große Vorbehalte. Zwei Drittel der Praxen halten es weiterhin für erforderlich, dass es anfänglich einen persönlichen Kontakt mit Patienten geben sollte.
Dass die Digitalisierung stagniert sehen 60 Prozent der Ärzte weiterhin mit bestehenden Problemen bei der EDV-Sicherheit begründet, wie die Befragung zeigt. 56 Prozent nennen den erwarteten Umstellungsaufwand. 54 Prozent sehen das Verhältnis von Kosten und Nutzen als ungünstig an.
Bessere Arzt-Patienten-Beziehungen durch Digitalisierung erwarten Ärzte nicht
Dennoch gibt es positive Einstellungen innerhalb der Ärzteschaft. 62 Prozent erwarten beispielsweise starke Verbesserungen von einem digitalen Austausch mit Kliniken. 63 Prozent der Hausärzte würden gerne einen elektronischen Medikationsplan anbieten. 2018 waren es nur 44 Prozent.
Mit Blick auf die Patientenversorgung äußern sie sich zurückhaltender: Dass die Digitalisierung die Diagnosequalität und den Therapieerfolg verbessern könnten, sehen 40 Prozent neutral, 30 Prozent erwarten dies, 13 Prozent gehen hingegen von Verschlechterungen aus. Verbesserungen für die Arzt-Patienten-Beziehungen erwarten nur 14 Prozent.