IGES-Gutachten zeigt Weg für eine bessere Berechnung der Zuweisungen der Krankenkassen für Krankengeld auf
Nach jahrelangen Diskussionen um ein besseres Ausgleichssystem für Krankengeldzuweisungen für Krankenkassen schlägt ein Gutachten nun ein umsetzbares Modell vor. Dieses berücksichtigt bei den Zuweisungen erstmals die Krankheitslast der Versicherten als wichtigen Ausgabentreiber des Krankengeldes und macht sie damit deutlich zielgenauer. Nicht berücksichtigt werden jedoch die Einkommen der Versicherten, obwohl das Krankengeld eine einkommensabhängige Kassenleistung ist.
Berlin, 01. April 2020 (IGES Institut) - Konzipiert haben das Modell Wissenschaftler des IGES Instituts im Auftrag des Bundesversicherungsamtes (BVA), seit 2020 Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS). Dies hatte der Gesetzgeber 2017 mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) eingefordert. Aufgabe für die IGES-Experten war es, bereits zuvor entwickelte Modelle für eine genauere Ermittlung der Krankengeldzuweisungen der Kassen im Rahmen des Risikostrukturausgleichs (RSA) zu überprüfen und vor allem praktisch umsetzbar zu machen.
Vorgänger-Modelle setzen bei der Neujustierung des Krankengeldsystems bei den bestimmenden Komponenten der einkommensabhängigen Lohnersatzleistung an: Dauer des Krankengeldbezugs und Höhe des täglichen Zahlbetrags. Treiber der ersten Komponente ist die Krankheitslast (Morbidität), der zweiten das Einkommen der Versicherten. Experten sprechen von der so genannten Mengen- und Preiskomponente der Krankengeldausgaben. Diese sollten den vorausgegangenen Gutachten zufolge zur künftigen besseren Berechnung der Krankengeldzuweisungen einzeln einfließen. Bisher werden nur das Alter, Geschlecht sowie der Erwerbsminderungsstatus genutzt. Seit 2015 erfolgt als Übergangslösung bis zu einer neuen Regelung zudem noch ein hälftiger Ausgleich der tatsächlich geleisteten Krankengeldausgaben (Ist-Ausgaben).
Getrennter Einbezug von Mengen- und Preiskomponente bringt keine Vorteile
Die IGES-Gutachter sehen jedoch auf Basis der etablierten Gütemaße keine Vorteile der getrennten Berücksichtigung von Mengen- und Preiskomponente, weil die Zuweisungen im Vergleich zu einer direkten Berücksichtigung der Krankengeldleistungsausgaben nicht zielgenauer werden. Für die Abbildung der Krankheitslast bei den Berechnungen zum Krankengeld prüften die IGES-Wissenschaftler verschiedene Morbiditätskonzepte. Es zeigte sich, dass mit Hilfe der Arbeitsunfähigkeits-Diagnosen (AU-Diagnosen) die Zielgenauigkeit der Zuweisungen zwar am höchsten war. Mangels verbindlicher Kodier-Richtlinien für AU-Diagnosen sind diese Daten allerdings nicht ausreichend valide. Eine angemessene Alternative stellen die derzeit im Morbi-RSA genutzten hierarchisierten Diagnosegruppen (HMG) mit annähernd gleich guten Gütemaßen dar.
Zusammenfassend empfehlen die IGES-Gutachter somit, die Zuweisungen zur Deckung der Ausgaben für Krankengeld weiter wie bisher direkt über Alters-, Geschlechts- und Erwerbsminderungsgruppen und neu ergänzt über HMG zu standardisieren.
Analysen beruhen auf RSA-Daten sämtlicher Krankenkassen
Anders als bisherige Gutachter konnten die IGES-Experten mit RSA-Daten sämtlicher Krankenkassen sowie mit speziell für dieses Gutachten bereitgestellten Daten arbeiten. Im vorliegenden Gutachten wird erstmalig im Kontext des Risikostrukturausgleichs ein alternatives Verfahren des überwachten maschinellen Lernens zur statistischen Analyse von Über- und Unterdeckungen angewandt. Es hat sich gezeigt, dass der CART-Ansatz den aus dem Tätigkeitsschlüssel abgeleiteten Merkmalen sowie den beitragspflichtigen Einnahmen Erklärungskraft zuspricht. Die IGES-Gutachter empfehlen daher, die Chancen und Risiken alternativer Methoden des überwachten maschinellen Lernens für das RSA-Ausgleichsverfahren im Bereich Krankengeld perspektivisch durch den wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des RSA beim BAS untersuchen zu lassen.
Ausgaben der Krankenkassen für Krankengeld steigen seit Jahren
Ziel einer Reform der Krankengeldzuweisungen ist es, die immer wieder kritisierten Fehldeckungen bei den Krankenkassen zu verringern und dennoch ausreichend Anreize für Kostenmanagement und wirtschaftliches Handeln zu belassen. Im Leistungsbereich Krankengeld besteht der Wirtschaftlichkeitsanreiz darin, Krankengeldfälle zu vermeiden und deren Dauer zu verkürzen.
Die gesetzlichen Krankenkassen gaben im Jahr 2018 für Krankengeld 13,09 Milliarden Euro aus. Das entspricht 5,8 Prozent ihrer gesamten Leistungsausgaben. Die Krankengeldausgaben steigen seit Jahren und lagen 2008 noch bei knapp 6,6 Milliarden Euro.