PKV-Langzeitstudie: moderate Prämienentwicklung beim größten privaten Krankenversicherer
Langfristig Privatversicherte der Debeka Krankenversicherung werden zum Großteil durch Prämienerhöhungen nicht stärker belastet, als wenn sie gesetzlich versichert wären. Das gilt auch für Arbeitnehmer und Selbstständige. Ursache von Prämiensprüngen sind häufig Tarifwechsel der Versicherten. Aber auch der Sondereffekt der Einführung des gesetzlichen Beitragszuschlags zur Prämiendämpfung im Alter ab dem Jahr 2000 wirkt sich aus. Beitragssprünge ließen sich noch mehr vermeiden, wenn private Versicherer ihre Prämien flexibler anpassen könnten als derzeit rechtlich möglich.
Berlin, 2. November 2020 (IGES Institut) - Das ist das Fazit einer umfassenden Analyse der Entwicklung der Prämien von langfristig privat Krankenversicherten. Sie entstand am IGES Institut im Auftrag des größten privaten Krankenversicherers, der Debeka, und beruht auf einem einzigartigen Datensatz: Versichertenbiografien von fast 800.000 Debeka-Kunden über einen Zeitraum von 20 Jahren. Eine ergänzende Sonderauswertung bezieht zudem die Auswirkungen der relativ starken Beitragsanpassung für das Jahr 2021 ein. Diese geht vor allem auf das niedrige Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt zurück.
Ziel war es, systematisch zu erfassen, wie stark und wie häufig es zu Beitragserhöhungen für privat Krankenversicherte der Debeka kommt. Danach hatte knapp jeder sechste Privatversicherte zwischen 2000 und 2020 eine sprunghafte Beitragszunahme. Die Studienautoren zählen dazu PKV-Mitglieder, die in diesem Zeitraum mindestens zwei Erhöhungen um 20 Prozent und mehr oder mindestens fünf Erhöhungen um zehn Prozent und mehr erlebten.
Sprunghafte Prämiensteigerungen nicht bei jedem privat Krankenversicherten
Allerdings sind von diesen Sprüngen nicht alle Versicherten gleich betroffen. So ist dies bei den abhängig Beschäftigten und Selbstständigen mehr als jeder dritte (39 Prozent), bei den Beihilfeversicherten hingegen nur gut jeder zehnte (13 Prozent).
In der Langzeitbetrachtung zeigt sich jedoch eine insgesamt moderate Prämienentwicklung. So liegt die mittlere jährliche Prämienveränderung für alle untersuchten Versicherten in den vergangenen 20 Jahren bei 2,2 Prozent. Bezieht man die Prämienanpassung 2021 ein, liegt die jahresdurchschnittliche Prämienerhöhung im Zeitraum 2000 bis 2022 bei 2,8 Prozent.
Die monatliche Prämie für männliche Beihilfeversicherte, die seit dem Jahr 2000 ununterbrochen bei der Debeka versichert waren, beläuft sich nach der aktuellen Beitragsanpassung auf durchschnittlich 234 Euro und bei Frauen auf 239 Euro, bei den Nicht-Beihilfeversicherten – also Arbeitnehmer und Selbstständige – auf 563 Euro. Wären letztere in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert, müssten sie meist den GKV-Höchstbeitrag zahlen, der nach IGES-Berechnungen 2021 bei 769 Euro liegt. Allerdings wurden die GKV-Beiträge für hauptberuflich Selbstständige 2019 stark abgesenkt.
Beiträge erhöhen sich für PKV-Mitglieder nicht stärker als in der GKV
Um das Ausmaß starker Beitragsanstiege zu verdeutlichen, nutzen die IGES-Wissenschaftler einen Vergleich mit der durchschnittlichen jährlichen Zunahme des monatlichen GKV-Höchstbeitrages. Dieser stieg im Untersuchungszeitraum um durchschnittlich 11,84 Euro pro Jahr. Bei zwei von drei abhängig beschäftigten oder selbstständigen Privatversicherten (66 Prozent) unterscheidet sich die jährliche Prämienerhöhung nur um maximal zehn Prozent von der GKV-Steigerung: das heißt maximal 13 Euro statt 11,84 Euro. Rechnet man zudem den gesetzlichen Beitragszuschlag als Sondereffekt heraus, sind 85 Prozent der Arbeitnehmer und Selbstständigen weniger oder nur etwas stärker durch Prämiensteigerungen belastet als GKV-Versicherte. Während die Einführung des gesetzlichen Beitragszuschlags zu den Prämiensteigerungen beitrug, konnte er seine beitragsentlastende Wirkung bisher nur in geringem Umfang entfalten.
Prämienentwicklung bei privat Krankenversicherten variiert stark
Dennoch zeigt der Blick auf einzelne Jahre, dass die Prämienentwicklung sehr stark variiert. So erhöhten sich etwa für rund 70 Prozent der Beihilfeversicherten die Prämien in den Jahren 2003 und 2004 zwischen 10 und 20 Prozent und in den Jahren 2006 und 2012 um 5 bis 10 Prozent. In zwei Jahren gab es sogar für mehr als 70 Prozent der Beihilfeversicherten Prämiensenkungen.
Aufgrund dieses sehr heterogenen Prämiengeschehens haben die Studienautoren mögliche individuelle Einflussfaktoren untersucht. Danach wirken sich Veränderungen beim Versicherungsumfang oder Erstattungsanteil am stärksten auf eine Prämienveränderung aus. Aber auch zusätzlich vereinbarte Prämienzahlungen, um im Alter die Beiträge vorsorglich zu dämpfen, sind eine Ursache.
Rahmenbedingungen für private Krankenversicherer anpassen
Allerdings lassen sich bei mehr als einem Viertel der Versicherten starke Prämiensteigerungen nicht durch derartige individuelle Tarifveränderungen erklären. Vor allem bei dieser Gruppe tragen auch die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen für private Versicherer zu starken Beitragssprüngen bei. So können die Unternehmen Beiträge nicht in kleinen Schritten und vor allem nur verzögert anpassen. Erst wenn sich etwa bedingt durch den medizinischen Fortschritt die Leistungsausgaben in bestimmter Höhe verändert haben und nicht mehr zur ursprünglichen Prämienkalkulation passen, dürfen sie aktiv werden. Zudem gehören Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt, die jüngst stark den Rechnungszins beeinflussen, derzeit noch nicht zu diesen „auslösenden Faktoren“ von Prämienanpassungen.
Die Studienautoren empfehlen daher, diese Regelungen zu modifizieren, damit Krankenversicherer – gemäß dem Ziel der Einkommensglättung über die Zeit – Beitragsanpassungen kontinuierlicher gestalten und Kunden weniger durch abrupte Steigerungen belastet werden.
Fortsetzung einer PKV-Studie aus dem Jahr 2017
Die Studie setzt eine erste Längsschnitt-Untersuchung aus dem Jahr 2017 fort, in der die Beitragsentwicklung der Debeka-Mitglieder im Zeitraum 1995 bis 2017 ausgewertet wurde. Bei der Debeka sind rund 2,45 Millionen – ein Viertel – der insgesamt 8,7 Millionen privat versicherten Bundesbürger versichert. Auch wenn die Debeka der größte private Versicherer ist, weisen die IGES-Autoren darauf hin, dass die Ergebnisse nur begrenzt repräsentativ für die gesamte PKV sind. Dennoch liefert die Studie aufgrund des großen Datenumfangs und des langen Beobachtungszeitraums empirische Erkenntnisse, um eine sachliche Diskussion über die Beitragsentwicklung in PKV und GKV zu unterstützen.