Gutachten: Investoren-MVZ tragen wenig zur flächendeckenden zahnmedizinischen Versorgung bei
Fremdinvestoren spielen in der vertragszahnärztlichen Versorgung eine immer größere Rolle. Jedes fünfte zahnärztliche Medizinische Versorgungszentrum wird inzwischen von Finanzinvestoren betrieben. Zu finden sind diese Zahnarztzentren vorrangig in großstädtischen Regionen, wo vor allem jüngere und gutverdienende Bewohner leben. Damit tragen sie anders als Einzelpraxen deutlich weniger zu einer flächendeckenden zahnmedizinischen Versorgung bei. Insgesamt ist der Versorgungsanteil von Medizinischen Versorgungszentren zwar noch gering. Experten raten dennoch, künftige Entwicklungen genauer zu beobachten, um frühzeitig Risiken für die Versorgung zu erkennen.
Berlin, 15. Dezember 2020 (IGES Institut) - Das ist das Fazit eines Gutachtens des IGES Instituts für die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV). Danach unterscheiden sich von Investoren betriebene MVZ (kurz: i-MVZ) nicht nur bei der Ansiedlung, sondern auch im Leistungsgeschehen von Einzelpraxen. So generieren sie in den zentralen Leistungsbereichen der konservierend-chirurgischen Leistungen und beim Zahnersatz höhere Umsätze, die auf Mengenausweitungen oder einen höheren Anteil von Neuversorgungen zurückzuführen sind. Diese Befunde sind nach den IGES-Gutachtern mit der These vereinbar, dass sich i-MVZ im Vergleich zu Einzelpraxen oder Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) stärker an einer Renditeoptimierung orientieren. Allerdings weisen auch nicht von Investoren betriebene MVZ ähnliche Auffälligkeiten auf.
Aufkäufe von bestehenden Zahnarztpraxen
Fachgruppengleiche MVZ hatte das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz im Jahr 2015 erstmals ermöglicht. Seitdem stieg die Zahl von i-MVZ in der Zahnmedizin von elf Ende 2015 auf 207 im ersten Quartal 2020. Dabei handelt es sich meist nicht um Praxisneugründungen, sondern um Aufkäufe von bereits bestehenden Zahnarztpraxen oder von Zahnärzten gegründeten MVZ. Auch die Zahl nicht-investorenbetriebener MVZ erhöhte sich in dieser Zeit, allerdings weniger stark als i-MVZ.
Im ersten Quartal 2020 hatten i-MVZ einen Anteil von 21 Prozent an allen zahnärztlichen MVZ inne. Hinter ihnen stehen derzeit 12 verschiedene Investoren, meist Private Equity-Gesellschaften. Diese können MVZ nicht direkt gründen, sondern gehen den Weg über den Erwerb von Krankenhäusern, die zu den vom Gesetzgeber zugelassenen Betreibern von MVZ gehören. Typisch ist, dass in MVZ überwiegend angestellte Ärzte tätig sind, und dass mehrere Standorte zu Ketten zusammengeschlossen sind. Bisher umfassen diese Ketten nur wenige Standorte. Die größte Kette besitzt jedoch bereits 23 Praxisstandorte.
Generell ist der Anteil zahnärztlicher MVZ an allen zahnärztlichen Versorgungformen und gemessen in Zahnarztstellen mit fünf Prozent trotz der Zuwächse noch vergleichsweise gering (bezogen auf das Jahr 2019). Der Wachstumstrend im Bereich der zahnärztlichen MVZ scheint jedoch weiterhin ungebrochen.
Höhere Abrechnungsvolumina der MVZ wirken sich noch nicht aus
Ob und wie stark sich diese Entwicklungen auf die Qualität, also das Patientenwohl, und die Wirtschaftlichkeit auswirken, müssten laut IGES tiefergehende Analysen zeigen. Aktuell wirkten sich die höheren Abrechnungsvolumina wegen des geringen Versorgungsanteils der i-MVZ insgesamt noch nicht aus. Dies könnte sich aber ändern, wenn die Zunahme bei der Zahl der i-MVZ weiter so dynamisch bliebe. Um die Entwicklung besser beobachten zu können, plädieren die IGES-Gutachter dafür, die Transparenz bezüglich der Eigentumsverhältnisse zu verbessern.
Das im Mai 2019 in Kraft getretene Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) hat auch Regelungen zur Begrenzung der Verbreitung von zahnärztlichen MVZ in der Trägerschaft von Krankenhäusern eingeführt. Danach dürfen von Krankenhäusern betriebene MVZ in einem Planungsbereich normalerweise einen Anteil von zehn Prozent nicht überschreiten. Dies verhindere zwar „eine wettbewerbsfeindliche Anbieterdominanz von (i-)MVZ in Trägerschaft weniger Krankenhäuser in einem Planungsbereich.
Bisher kein Limit für Investoren-MVZ
Die TSVG-Regelung beschränkt hingegen nicht den Versorgungsanteil, der insgesamt auf die Praxisform (i-)MVZ in Krankenhausträgerschaft entfällt“, heißt es in dem Gutachten. Theoretisch sei unter den Regeln des TSVG immer noch eine hundertprozentige Abdeckung der zahnärztlichen Versorgung durch (i-) MVZ mit Krankenhausgründern möglich. Daher folgern die IGES-Autoren: „Vor dem Hintergrund der festgestellten Auffälligkeiten im Leistungs- und Abrechnungsgeschehen und den daraus resultierenden möglichen Risiken für die Versorgung sollten über das TSVG hinausgehende gesetzliche Maßnahmen in Betracht gezogen werden.“