Reform der Notfallversorgung: Erkenntnisse aus Brandenburg nutzen
In der Diskussion um eine Reform der Notfallversorgung könnten Ergebnisse einer neuen Forschungsarbeit wichtige Impulse geben. Dabei handelt es sich um ein Projekt, bei dem Experten der IGES Gruppe die Notfallversorgung in Brandenburg analysiert haben. Gemeinsam mit Vertretern der Krankenhäuser, Ärzte, Krankenkassen und Politik entwickelten sie zudem Verbesserungsvorschläge.
Berlin, 3. Januar 2022 (IGES Institut) – Initiiert hatte das Vorhaben die brandenburgische Landesregierung. Experten des IGES Instituts und der CSG Clinischen Studien Gesellschaft realisierten es von 2017 bis 2020. Finanziert wurde die Studie mit Mitteln des Innovationsfonds, eines von der Bundesregierung eingerichteten Förderprogramms zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung.
Nun hat der zuständige Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss den Abschlussbericht auf seiner Internetseite veröffentlicht. Er schreibt dazu: „Das Projekt hat am Beispiel von Brandenburg Konzepte und Maßnahmen zur Optimierung der Akut- und Notfallversorgung für ländliche Regionen formuliert. Diese können einen Beitrag zum aktuellen fachlichen und politischen Diskurs über Reformansätze der Notfallversorgung leisten. Aus diesem Grund entschließt sich der Innovationsausschuss, die Projektergebnisse an das Bundesministerium für Gesundheit und die für den Rettungsdienst zuständigen Ministerien der Länder informatorisch weiterzuleiten.“
Erste Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden bereits im September 2021 im Rahmen eines Fachsymposiums vorgestellt. Die Untersuchung hatte gezeigt, dass die Brandenburgerinnen und Brandenburger sind mit der medizinischen Notfallversorgung mehrheitlich zufrieden. Sie nutzen dabei allerdings im Vergleich zu anderen Bundesbürgern überdurchschnittlich häufig Rettungswagen und Notfallstellen der Krankenhäuser statt ambulante Angebote. Das ist medizinisch nur unzureichend erklärbar und verursacht vermeidbaren Ressourcenverbrauch. Die im Rahmen der Studie einbezogenen Experten raten daher, Notfalleinsätze besser zu steuern und weiterhin für mehr erreichbare ambulante Angebote im Akutfall zu sorgen. Nötig sind ferner Maßnahmen, um vor allem in dünn besiedelten Regionen Brandenburgs die Versorgung schwerwiegender Notfälle wie Herzinfarkt oder Schlaganfall weiter zu verbessern. Vielversprechende Modellprojekte sollten ausgebaut werden.
Ambulante ärztliche Bereitschaftspraxen noch bekannter machen
Den Studienautoren zufolge schätzen Brandenburgerinnen und Brandenburger in Akutfällen die Dringlichkeit relativ gut ein. Der ärztliche Bereitschaftsdienst und seine telefonische Erreichbarkeit sollten daher noch bekannter gemacht werden, um mehr Patienten dorthin zu steuern und so die Kliniken zu entlasten.
Rettungsfahrten sinnvoller steuern und Krankentransporte ausbauen
Bessere Steuerung von Kapazitäten ist auch bei Einsätzen von Rettungsfahrten notwendig. In Brandenburg hat zwischen 2008 und 2018 die Zahl der Notfallrettungseinsätze um fast 47 Prozent zugenommen. Eine Auswertung von Rettungsdienstdaten zeigte jedoch, dass schätzungsweise 40 Prozent dieser so versorgten Patienten nur sehr geringe Krankheitsschwere aufwiesen und einen Rettungswagen gar nicht benötigten, diesen möglicherweise nur mangels alternativer Transportmöglichkeiten bei akuten Beschwerden in Anspruch nahmen. Die Studienautoren empfehlen daher, Transportalternativen zu schaffen und Rettungsleitstellen statt Rettungswagen auch Krankentransporte disponieren zu lassen. Mithilfe von Tele-Notärzten und einer weiteren Stärkung der Kompetenzen von Rettungssanitätern könnten zudem unnötige Notarzteinsätze verhindert werden.