Gutachten: Versorgungsbedarf der Menschen sollte Zahl der Arztsitze bestimmen
Die Zahl der Arztsitze in einer Region sollte künftig nur nach dem Versorgungsbedarf der jeweiligen Bevölkerung bemessen werden – und nicht mehr danach, ob es sich um ein Ballungsgebiet oder eine ländliche Region handelt.
Berlin, 05. Juni 2012 (IGES Institut) - Das zeigt ein Gutachten des IGES Instituts im Auftrag der Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Es schlägt vor, die Zahl der Arztsitze künftig einheitlich nur an der Bevölkerungszahl und am Krankheitsrisiko der Bevölkerung des Kreises oder der Stadt festzumachen. Für die Messung des Krankheitsrisikos werden amtliche Daten zur Alters- und Einkommensstruktur, die Zahl der Pflegebedürftigen sowie die Arbeitslosenquote herangezogen.
Auf dieser Basis wird ein Bedarfsindex abgeleitet. So ergibt sich für jeden Kreis eine Einstufung, ob sein Bedarf an ärztlicher Versorgung über, unter oder am Bundesdurchschnitt liegt. Die Zahl der Arztsitze, die sich allein aus der Bevölkerungszahl ergäbe, wird mit dem Bedarfsindex-Wert des Kreises multipliziert. Im Ergebnis erhalten Kreise mit hohem Bedarf (ältere Bevölkerung, ungünstigere Sozialstruktur) mehr ärztliche Kapazitäten zugestanden und umgekehrt.
Aktualisierung der Verhältniszahlen
Das Reformkonzept erfordert auch eine Neufestlegung der für jede Arztgruppe anzuwendenden Verhältniszahl (Einwohner je Arzt). Das IGES-Modell leitet die neuen Verhältniszahlen aus der Bedarfsanalyse her: Alle 412 Kreise und Städte wurden nach ihrem Bedarfsindex sortiert. Für die 25 Prozent Kreise in der Mitte – das "bedarfsmittlere Viertel" – wurde berechnet, welches Einwohner-Arzt-Verhältnis dort gegenwärtig tatsächlich besteht. Diese Zahl soll die neue Verhältniszahl einer Arztgruppe bilden.
Regionale Verteilungsplanung sichert Wohnortnähe und Erreichbarkeit
Nachdem die Sollzahl der Arztsitze ermittelt wurde, soll nach dem Reformmodell innerhalb der betreffenden Planungsregion (Kreis/Stadt) auch die konkrete Verteilung der Arztsitze in der Fläche zum Gegenstand eines abschließenden Planungsschrittes werden. Dies ist bisher nicht der Fall, weshalb es heute vorkommen kann, dass viele Einwohner weite Wege zum Arzt haben, obwohl ihr Kreis ausreichend oder sogar überversorgt ist. Das IGES-Konzept enthält Verfahrensvorschläge, damit für alle Einwohner bestimmte Maximalentfernungen zum Haus- oder Facharzt eingehalten werden.
Berücksichtigung der künftigen Bevölkerungsentwicklung
Die auf die gegenwärtigen Einwohner ermittelten Planzahlen werden in einem weiteren Schritt nochmals auf ihre Zukunftsfestigkeit geprüft. Das Gutachten macht zudem Vorschläge, wie die Zukunft durch neue Betriebs- und Zulassungsformen in die heutigen planerischen Entscheidungen einbezogen werden kann.