Studie zu Diskriminierung im Gesundheitswesen: Beratungs- und Beschwerdestellen oft schwer zu finden
Das Gesundheitswesen verfügt über viele verschiedene Anlauf- und Beschwerdestellen für Patienten. Ansprechpartner, die explizit für Diskriminierungsthemen bereitstehen, sind jedoch schwer zu finden. Viele Betroffene sehen zudem von einer Beschwerde ab, weil sie sich abhängig und auf eine Behandlung angewiesen fühlen.
Berlin, 22. April 2024 (IGES Institut) - Das geht aus einem Forschungsprojekt des IGES Instituts im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor. Ziel war es, eine Bestandsaufnahme der Anlaufstellen zu machen, an die sich Patientinnen und Patienten bei erlebter Diskriminierung während ihrer medizinischen Versorgung wenden können.
Intransparente Zuständigkeiten als Hürde
Die Untersuchung zeigt, dass intransparente Zuständigkeiten eine wesentliche Hürde für Betroffene darstellen, die Diskriminierung im Gesundheitswesen erfahren haben und nach Hilfe suchen oder sich beschweren wollen. Das machen Aussagen von Betroffenenverbänden und Beratungsstellen deutlich, die für die Studie befragt wurden. So informieren viele Anlauf- und Beschwerdestellen auf ihren Internetseiten oder in ihren Informationsbroschüren nur selten, dass sie auch bei Diskriminierungserfahrungen unterstützen.
Abhängigkeit vom Behandlungsprozess macht es schwer
Nach Einschätzung von Betroffenenverbänden wird Diskriminierungen im Gesundheitsbereich als besonders schwerwiegend wahrgenommen, da sie im Zusammenhang mit einem akuten Behandlungsbedarf und in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Gesundheitssystem stehen. Patienten müssen sich um ihre Behandlung kümmern und können nur begrenzt alternative medizinische oder therapeutische Praxen und Krankenhäuser suchen. Sie stellen demzufolge ihr Recht auf eine diskriminierungsfreie Versorgung oft hintenan.
Im Fokus des Projektes stand Diskriminierung im Gesundheitswesen anhand von Diskriminierungsmerkmalen, wie sie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) definiert: Dazu gehören rassistische und Diskriminierung anhand der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, Behinderung, anhand des Alters sowie sexuellen Identität. Ergänzend wurden Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitswesen aufgrund des Gewichts und des sozialen Status betrachtet. Bisher gibt es nur wenige Untersuchungen zu diesem Bereich.
„Diskriminierungsschutz ist aktuell zu stark abhängig von dem persönlichen Diskriminierungsverständnis der Verantwortlichen in den Anlauf- und Beschwerdestellen des Gesundheitswesens“, lautet ein Fazit der Studie. So haben beispielsweise nur in rund 20 Prozent der Krankenhäuser und Reha-Kliniken die Ansprechpartner in den Anlaufstellen Diversity-bzw. Antidiskriminierungskompetenzen, wie eine Befragung von insgesamt 500 Krankenhäusern und Rehakliniken ergab. Ein Großteil von ihnen hatte im Jahr 2021 lediglich zwischen ein und zehn Beschwerden aufgrund von Diskriminierungserfahren. Die befragten Häuser werteten dies als Zeichen, dass es in der Regel keinen Diskriminierungen gebe. Dies widerspreche jedoch Erkenntnissen aus anderen empirischen Studien zur Häufigkeit erlebter Diskriminierung in der Bevölkerung, heißt es in der IGES-Studie.
Gesundheitswesen bietet zahlreiche Anlaufstellen für Beschwerden
Anlaufstellen für Beschwerden generell bietet das deutsche Gesundheitswesen an zahlreichen verschiedenen Stellen: am Ort der Behandlung sind es die Krankenhäuser und Reha-Kliniken, für die patientenorientierte Beschwerdestellen verpflichtend sind. Für niedergelassene Ärzte, Zahnärzte oder Psychotherapeuten sind es hingegen übergeordnete Institutionen wie die ärztlichen Kammern, kassen-(zahn-)ärztlichen Vereinigungen oder die Krankenkassen. Auch die Gesundheitsämter, Patientenbeauftragte der Länder und die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) stellen Anlaufstellen für Patienten dar.
Eine Onlinebefragung sowie in der Fallstudie für die Studie belegen, dass diese Stellen häufiger zu Diskriminierung angefragt werden, seit sie spezielle Ansprechpartner für dieses Thema benannt haben und darüber informieren.
Handlungsempfehlungen für Verbesserungen
Die Studie gibt zudem Handlungsempfehlungen, die sich aus der Bestandserhebung ergeben. Danach sollte der Zugang zu den bestehenden Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten im Gesundheitswesen für von Diskriminierung Betroffene verbessert werden. Die Anlaufstellen an sich sollten ferner im Umgang mit Diskriminierung professionalisiert werden. Wichtig ist es dabei, die Beratungs- und Beschwerdeverfahren in eine Gesamtstrategie zur Prävention von und zum Umgang mit Diskriminierung in den jeweiligen Institutionen einzubetten. Ferner sollten die rechtlichen Möglichkeiten für von Diskriminierung Betroffene erweitert werden.