Studie zeigt zahlreiche Stellschrauben für mehr Publikationsaktivität in der Frauenheilkunde
In der Frauenheilkunde gibt es beim wissenschaftlichen Publizieren vor allem bei jungen Medizinerinnen ungenutzte Potenziale. So veröffentlichen Ärztinnen zu Beginn ihrer Karriere zwischen 40 und 80 Prozent weniger Fachbeiträge als ihre männlichen Kollegen. Ursachen sind vermutlich die eigene Familienplanung sowie eine höhere Teilzeitquote. Gezielte Unterstützung in dieser Lebensphase könnte jungen Medizinerinnen helfen, mehr wissenschaftlich tätig zu sein. Aber auch noch ganz andere Potenziale könnten gehoben werden, um dem drohenden publizistischen Rückstand der deutschen Frauenheilkunde entgegenzuwirken.
Berlin, 12. Juni 2024 (IGES Institut) - Dies geht aus einer bibliometrischen Analyse von mehr als 1.300 Publikationen im Bereich Frauenheilkunde aus dem Jahr 2022 hervor, die am IGES Institut entstand. Bei den Analysen kamen am IGES Institut entwickelte KI-Anwendungen zur Textauswertung zum Einsatz. Zusätzlich wurde das Publikationsvolumen von 2014 bis 2022 zwischen Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten verglichen sowie – auf Deutschland begrenzt – mit dem publizistischen Output der Fachgebiete Urologie und Unfallchirurgie. Dies geschah im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ veröffentlicht (2024, 84)
Die Frauenheilkunde ist weiblich geworden
Das geringere Publikationsvolumen von Medizinerinnen in der Frauenheilkunde vor allem in unteren Hierarchiestufen ist den Studienautoren zufolge insofern problematisch, als dass der Frauenanteil in diesen Funktionen bei 81 Prozent liegt (Datenstand 2023). Damit dies künftig keine negativen Effekte auf die wissenschaftlichen und publizistischen Aktivitäten des Fachgebiets haben wird, raten sie zu gezielten Unterstützungsmaßnahmen für Medizinerinnen am Beginn der Karriere. Dies sei zudem für die ausreichende Besetzung von Leitungspositionen wichtig, für die der Nachweis von Publikationen eine Voraussetzung ist. Direktorinnen publizieren dann wieder gleich häufig wie Direktoren.
Vorbildfunktion der leitenden Ärzteschaft
Die Analyse zeigt auch, welche anderen Faktoren die Publikationsleistung von frauenheilkundlichen Standorten positiv beeinflusst. So existiert ein Vorbildfaktor: Die Publikationsaktivität insgesamt und bei jüngeren Ärztinnen und Ärzten steigt, wenn die Mediziner in Leitungsfunktionen insbesondere auf Direktorenebene viel publizieren.
28 von 40 untersuchten frauenheilkundlichen Standorten verfügen über ein „Comprehensive Cancer Center“. Derartige Strukturen oder das Vorhandensein einer Abteilung für Humangenetik gehen in allen Qualifikationsstufen ebenfalls mit einer erhöhten Publikationsaktivität einher und markieren die zentrale Rolle onkologischer Forschung für das Publizieren.
Die Studie hat gezeigt, dass es an einer Reihe von Standorten gelingt, eine intensive Publikationsaktivität der Seniors auf die Juniors zu übertragen, während an mehreren anderen Standorten die Juniors nicht von der Aktivität der Seniors profitierten. Ein Ansatzpunkt ist daher, an den Abteilungen eine gezielte Nachwuchsförderung aufzubauen
Mehr Freiräume für wissenschaftliche Aktivitäten an großen Standorten
Auch die Zahl der ärztlichen Mitarbeiter und damit die Größe eines Standortes hat einen positiven Einfluss auf das Publizieren: Grund könnte sein, dass sich dort klinische Tätigkeit und die Dienst- und Arbeitsbelastung auf eine größere Zahl von Personen verteilen und so Freiräume für wissenschaftliche Tätigkeiten entstehen. Darüber hinaus steigern interdisziplinäre Zusammenarbeit am Standort und internationale Vernetzung mit ausländischen Universitäten den Publikationsoutput.
Förderung von Medizinerinnen als wichtigste Maßnahme
Nach Ansicht der Autoren ergeben sich aus den Erkenntnissen der Studie für die DGGG zahlreiche Ansatzpunkte, um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Von größter Bedeutung bleibt die Förderung von jungen Ärztinnen.
Eine Steigerung der Publikationsleistung in der Frauenheilkunde ist zudem für den internationalen Vergleich wichtig, weil Deutschland dabei abfällt: So ist der Output an frauenheilkundlichen Publikationen in Deutschland seit 2014 mit 225 Prozent weniger stark gewachsen als in den Vergleichsländern Frankreich (238 Prozent), Vereinigtes Königreich (252 Prozent) und USA (260 Prozent). Im Vergleich zu den untersuchten deutschen Fachgebieten sind die Publikationen in der Urologie geringer gewachsen (196 Prozent), in der Unfallchirurgie dagegen schneller (286 Prozent).