Arzneimittel-Atlas 2014: moderates Ausgabenjahr bei Arzneimitteln nach Jahren des Stillstandes
Moderates Ausgabenjahr nach Jahren des Stillstandes
Berlin, 16. September 2014 (IGES Institut) - Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel stiegen 2013 um 3,1 Prozent bzw. 895 Mio. Euro auf 30,1 Mrd. Euro. Nach einem Rückgang im Jahr 2011 und einem geringfügigen Anstieg 2012 lagen die Arzneimittelausgaben sogar leicht unter dem Niveau des Jahres 2010 (30,18 Milliarden Euro).
Das Ausgabenwachstum von 3,1 Prozent liegt zudem unter dem langjährigen Durchschnitt von 3,8 Prozent. „Die Entwicklung der Ausgaben für Arzneimittel war 2013 nach Jahren des Stillstandes moderat“, sagte Prof. Bertram Häussler, Vorsitzender der Geschäftsführung des IGES Instituts und Autor des Arzneimittel-Atlas 2014, der dieses Jahr in neunter Ausgabe erscheint.
Bei der Betrachtung, welche marktgetriebenen Faktoren die Ausgaben für Arzneimittel beeinflussen, war wie in den Jahren zuvor der Mehrverbrauch der stärkste Treiber für das Ausgabenplus. Die Verbrauchskomponente lag mit 703 Mio. Euro nur wenig unter dem Vorjahreswert von 728 Mio. Euro. Am stärksten trugen dabei erneut die Immunsuppressiva etwa zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis bei, gefolgt von den antithrombotischen Mitteln.
Preise tragen erstmals nicht zur Entlastung bei
Erstmals hatte die Preiskomponente mit insgesamt nur 0,1 Mio. Euro keinen Einfluss auf die Ausgaben. 2012 trug sie mit 670 Mio. Euro noch massiv zu den Einsparungen bei. In der Preiskomponente schlugen sich 2013 jedoch die Änderungen in der Apothekenvergütung nieder, die zu Mehrausgaben von 374 Mio. Euro führten.
Zum Ausgabenanstieg trug ähnlich wie im Vorjahr die Innovationskomponente bei. Sie beschreibt, wie neue Therapieoptionen die Arzneimittelausgaben bestimmen und lag bei 694 Mio. Euro (2012: 683 Mio. Euro). Vor allem die Arzneimittel zur Behandlung erhöhter Thrombozytenaggregationsneigung (Gefahr von Thrombosen, Schlaganfall, Herzinfarkt), Medikamente bei Krebserkrankungen sowie rheumatoider Arthritis spielten dabei die größte Rolle.
Einsparungen finanzieren Ersatz tradierter durch neue Wirkstoffe
Dem Ausgabenplus von 694 Mio. Euro durch die Modernisierung der Therapiemöglichkeiten standen 608 Mio. Euro anbieterbezogene Einsparungen durch die Hersteller gegenüber. Am stärksten wirkte dabei der vermehrte Einsatz von Generika (356 Mio. Euro) gefolgt vom Wechsel auf günstigere Hersteller (253 Mio. Euro). Die Entscheidung für ein günstigeres Generikum oder günstigeren Hersteller erfolgt dabei insbesondere aufgrund von Rabattverträgen.
Der Arzneimittel-Atlas 2014 widmet sich diesmal zudem dem Schwerpunkt Impfen. So ist etwa die Impfquote gegen das humane Papillomavirus (HPV) als Schutz vor Gebärmutterhalskrebs bei Mädchen trotz nachgewiesener Effektivität mit 41 Prozent in Deutschland sehr niedrig. In anderen Ländern wie Großbritannien werden Impfquoten von 80 Prozent erreicht. Nach der Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) im Jahr 2007 schnellte der Impfstoffverbrauch zunächst nach oben. 2009 brach er dann nach dem Aufkommen einer öffentlichen, kritischen Diskussion über die Impfung drastisch ein und erholt sich seit 2011, wie der Arzneimittel-Atlas zeigt.
Deutschland verfehlt WHO-Ziel beim Masernschutz
Deutschland verfehlt zudem das von der Weltgesundheitsorganisation WHO vorgegebene Ziel einer Impfquote von 95 Prozent gegen Masern. Für die erforderliche zweite Impfung liegt die Quote durchschnittlich bei 92 Prozent. Immer wieder kommt es in Deutschland zu epidemischen Ausbrüchen. 2013 wurden dem RKI zufolge 1.755 Fälle gemeldet, davon einige mit tödlichem Ausgang.
Ein weiteres Kapitel untersucht die Auswirkungen des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG), das seit Januar 2011 für jeden neu eingeführten Wirkstoff eine Nutzenbewertung vorsieht. Auf Basis dieser Nutzenbewertung wird entschieden, ob das neue Arzneimittel in das Festbetragssystem eingegliedert, oder ob ein Erstattungspreis entsprechend dem ermittelten Zusatznutzen verhandelt wird.
Arzneimittelpreise deutlich unter europäischem Niveau
Die Analysen des Arzneimittel-Atlas zeigen für 29 neue Wirkstoffe, dass die von der GKV erstatteten Preise nach den Preisverhandlungen in vier von fünf Fällen teilweise erheblich unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Trotz dieses eher niedrigen Preisniveaus bleibt die Verbreitung dieser neuen Mittel bei den Patienten, für die ein Zusatznutzen anerkannt wurde, gering. Die Erwartungen, dass die Patienten durch das AMNOG schneller mit gewinnbringenden Medikamenten-Innovationen versorgt werden, haben sich daher bisher nicht durchgängig erfüllt.