Evaluation: Hörgeräteträger weiterhin gut versorgt, aber stärker finanziell belastet
Die Schweizer sind mit der Hörgeräteversorgung nach einer Umstellung auf eine pauschale Vergütung weiterhin zufrieden. Das ergab eine Evaluation des IGES Institut im Auftrag des schweizerischen Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV).
Berlin, 01. April 2014 (IGES Institut) - Die Schweizer sind mit der Hörgeräteversorgung nach einer Umstellung auf eine pauschale Vergütung weiterhin zufrieden. Allerdings erfolgen weniger Service- und Anpassungsleistungen. Zudem greifen sie für ein neues Hörgerät erheblich mehr in die eigene Tasche. Ihre Zuzahlungen nahmen im Mittel um rund 60 Prozent auf umgerechnet 2.500 Euro zu. Ausgeblieben ist eine erhoffte, stärkere Eigeninitiative der Betroffenen, Vergleichsangebote von Hörgeräten einzuholen und so mehr Preiswettbewerb bei den Anbietern auszulösen.
Das ist das Ergebnis einer Evaluation, die das IGES Institut im Auftrag des schweizerischen Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) erstellt hat. Dabei werteten die IGES-Experten Abrechnungsdaten aus und befragten rund 2.500 Betroffene sowie ausgewählte Experten. Die Auswirkungen veränderter Vergütungssysteme zu analysieren ist eine Kernkompetenz des IGES, die zunehmend auch international angefragt wird.
Kunden sollen Wettbewerb unter den Hörgeräteanbietern antreiben
Im Falle der Schweiz hatten Kostenträger die Hörgeräteversorgung als qualitativ hochwertig, aber im internationalen Vergleich als zu teuer eingestuft. Einsparungen soll eine neue Vergütung bringen: Statt gestaffelter Tarife für Hörgeräteakustiker zahlen die Versicherungen seit Mitte 2011 Hörgeschädigten direkt pauschale Geldbeträge aus. Damit sollen sie ihre Hörgeräte selbst aussuchen und erwerben und können dies auch im Ausland tun. Der so entstehende Wettbewerb soll die Preise senken.
Allerdings kam es bisher nicht zu diesem „Empowerment“ der Versicherten, wie die Untersuchung zeigt. Der Anteil der Hörgeräteträger, die mehrere Anbieter verglichen, ging zurück, und die Hörgeräteträger fühlten sich vor dem Kauf weniger gut informiert. Ursache dafür könnte den befragten Experten zufolge sein, dass es für Kunden schwierig sei, Geräte und Dienstleistungen fachgerecht zu beurteilen. Zudem hatten sich möglicherweise besonders erfahrene und informierte Hörgeräteträger ein neues Gerät noch vor dem Systemwechsel besorgt. Auslandskäufe gab es nach wie vor kaum.
Leichter Rückgang des Dienstleistungsniveaus
Auffällig ist zudem, dass im neuen Pauschalsystem Dienstleistungen rund um den Gerätekauf abnahmen. So gab es etwa weniger Anpassungs- oder Servicetermine, Hörgeräte wurden seltener testweise zum Vergleich getragen und tendenziell seltener über einen längeren Zeitraum zu Hause vor dem Kauf getestet. Während diese Leistungen früher zwischen den Versicherungen und den Hörgeräteakustikern vertraglich geregelt waren, müssen Hörgeschädigte diese Angebote nun gesondert zahlen. Dennoch zeigten sich die befragten Hörgeräteträger zufrieden mit den Leistungen der Akustiker, ihren weiterhin wichtigsten Ansprechpartnern.
Hörgeräteträger sind weiterhin sehr zufrieden und beruflich integriert
Zufriedenheit herrschte auch beim Erleben der gekauften Geräte. 90 Prozent empfanden ihre Lebensqualität wie auch zuvor im alten System deutlich verbessert, und sie konnten weiter ungehindert ihrem beruflichen Alltag nachgehen. Auch die tägliche Tragezeit der Geräte pro Woche blieb konstant. Für die IGES-Experten ist dies ein Beleg für eine weiterhin gute Versorgungsqualität. Allerdings weisen sie auf die bisher nur kurze Beobachtungszeit hin, in der mögliche unerwünschte Effekte noch nicht sichtbar werden. So sei im Blick zu behalten, welche Folgen die selteneren Anpassungs- und Servicedienstleistungen hätten. Zudem gebe die Evaluation keinen Aufschluss über diejenigen, die möglicherweise aufgrund der erhöhten Zuzahlungen ganz auf ein neues Hörgerät verzichtet hatten.