MedTech-Nutzenbewertung: jährlich bis zu zehn Hersteller-initiierte Erprobungen von Medizinprodukten erwartet
Der erste erfolgreiche Antrag eines Medizinprodukteherstellers auf Erprobung einer neuen Behandlungsmethode könnte als Matrix für Folgeanträge dienen. „Der Antrag hat gezeigt, worauf es ankommt, wenn Nutzenbewertung auch für Medizinprodukte Teil der gelebten Realität der GKV-Versorgung in Deutschland sein wird: fundierte Daten und einen langen Atem, da das Verfahren langwierig und für Hersteller noch ungewohnt ist“, sagt Prof. Dr. Thomas Kersting, Senior Associate am IGES Institut.
Berlin, 31. März 2017 (IGES Institut) – Der Experte geht davon aus, dass im laufenden Jahr bis zu zehn Hersteller ähnliche Anträge stellen oder sich dazu im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beraten lassen werden. Den ersten Antrag dieser Art haben Experten der IGES Gruppe - des IGES Instituts und der AiM - Assessment in Medicine - wissenschaftlich begleitet. Dabei ging es um die Behandlung von gutartigen Tumoren der Gebärmutter.
Hintergrund ist, dass Hersteller oder Anbieter von Medizinprodukten, die auf einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode beruhen (NUB), seit 2012 beim G-BA eine Erprobung beantragen können. Diese initiiert der G-BA, wenn er das Potenzial für eine Behandlungsalternative sieht, der Nutzen aber noch nicht eindeutig belegt ist. Bei positiven Ergebnissen könnte die Methode in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen werden.
Hinzu kommt die seit 2016 eingeführte Nutzenbewertung von Hochrisiko-Medizinprodukten: Wollen Krankenhäuser diese Produkte einsetzen, müssen sie dem G-BA Informationen zur Bewertung des Nutzens und des Potenzials vorlegen. Bei positivem Potenzial kann eine Erprobung folgen.
In seinem ersten Beschluss dazu hat der G-BA sechs von acht eingereichten Anträgen keinen Nutzen und kein Potenzial zugesprochen. „Die neuen MedTec-Verfahren sind noch längst nicht so eingespielt wie die AMNOG-Prozesse und bleiben zunächst ein Risiko für Hersteller“, sagt Kersting. „Die solide Vorbereitung von Krankenhäusern und Herstellern im Zusammenspiel ist das A und O für erfolgreiche Anträge.“
Kersting erwartet weiter, dass künftig sowohl Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP - Advanced Therapy Medicinal Products) - etwa Gentherapeutika oder biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte - als auch Kombinationen aus Pharmaka und Companion Diagnostics (therapiebegleitende Diagnostika) verstärkt dieser Form der Methodenbewertung zugeführt werden.
Kersting: „Die Spielregeln für stationär angewandte Innovationen ändern sich. Das Prinzip der „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“ bei stationär angewandten Innovationen wird ausgehöhlt. Ob NUB-Anfragen auch zukünftig als ‚Door Opener‘ für den Marktzugang wirken oder sich zum ‚Watch Guard' für den Marktausschluss komplexer und kombinierter Behandlungsalternativen wandeln, ist noch nicht entschieden.“