Arzneimittel-Atlas untersucht Wirkung von Arzneimittelvereinbarungen
Das Manuskript des Arzneimittel-Atlas 2010 wurde heute in Berlin vorgestellt. Der Arzneimittel-Atlas, der am 31. August erscheinen wird, ist eine jährliche Analyse des Arzneimittelverbrauchs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Er wird im Auftrag der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) vom IGES Institut in Berlin erstellt.
Berlin, 30. Juni 2010 (vfa) - Prominente Lenkungsinstrumente im Arzneimittelmarkt funktionieren nicht. Bestes Beispiel: Die Arzneimittelvereinbarungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassenverbänden. Sie geben Ärzten Ausgabenobergrenzen für Medikamente vor. Aber in keiner einzigen Region Deutschlands halten die Ärzte diese Vorgaben ein: In Berlin, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sollen die Ärzte pro Versichertem bis zu 122 Euro pro Jahr einsparen. Von den Ärzten in Nordrhein, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern erwartet man am wenigsten an Einsparungen, aber dennoch 40 Euro pro Jahr.
Richtgrößen auf dem Prüfstand
Für das Autorteam erklärt Prof. Bertram Häussler: „Was auf den ersten Blick wie ein Ärzteversagen aussieht, ist das Resultat von unrealistischen Vorgaben. Die Arzneimittelvereinbarungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassenverbänden führen zu sehr unterschiedlichen Einsparerfordernissen. Eine sachliche Begründung durch nachvollziehbare Einflussfaktoren lässt sich nicht erkennen.“
Für den Auftraggeber erklärt der vfa-Vorsitzende Dr. Wolfgang Plischke: „Wenn der Gesetzgeber neue Lenkungsinstrumente – wie gegenwärtig Verträge - schafft, sollte er auch alte – wie Arzneimittelrichtgrößen - abschaffen. Ohne diese Deregulierung wird jede Neuregelung nur zu einem Mehr an Gesetzen. Und damit würde das deutsche Gesundheitssystem vor allem Eines: Immer komplizierter! Folgerichtig wäre es, bei der Einführung neuer Lenkungsinstrumente, die bestehenden breiträumig abzulösen. Die von der Politik vorgesehene Deregulierung im Gesundheitsbereich muss hier mehr sein als ein Lippenbekenntnis. Die vorhandenen Lenkungsinstrumente im Arzneimittelmarkt müssen nüchtern bewertet und Unnötiges und Unwirksames gestrichen werden!“
Die weiteren Ergebnisse des Arzneimittel-Atlas 2010 im Überblick:
- Der Arzneimittel-Markt innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen ist 2009 um 1,52 Mrd. Euro (+5,2 Prozent) auf 30,7 Mrd. Euro gestiegen. Damit bestätigt sich der Trend der Vorjahre, wonach die jährliche Steigerung relativ konstant 1,4 bis 1,5 Mrd. Euro beträgt. Sprunghafte Steigerungen waren und sind nicht in Sicht.
- Die Verbrauchskomponente ist mit 1,1 Mrd. Euro - wie in den Vorjahren – für den Marktzuwachs entscheidend. Das heißt, der steigende medizinische Bedarf einer insgesamt alternden Gesellschaft und die wachsenden Behandlungsmöglichkeiten eines sich weiter modernisierenden Medizinbetriebes, führen zu mehr verordneten Arzneimitteln.
- Die Innovationskomponente, also neue Wirkstoffe, führen zu Mehrkosten von rund 400 Mio. Euro. Behauptungen, die extrem hohen Therapiekosten neuer Medikamente, z. B. bei der Krebsbehandlung, würden die Finanzierung der Krankenversicherung sprengen, lassen sich nicht belegen.
- „Technische Einsparungen“, insbesondere durch die Verordnung preisgünstiger Generika, reduzierten die Aufwendungen 2009 um rund 300 Mio. Euro.
- Die Preiskomponente führte zu Mehrkosten von rund 200 Mio. Euro, nachdem sie in den vergangenen Jahren stets negativ war. In diesem Wert sind Einsparungen durch Rabattverträge nicht enthalten, die ebenfalls rund 200 Mio. Euro betragen. Die Preiseffekte kompensieren sich demnach.
- Seit Jahren zeigen sich erhebliche regionale Unterschiede beim Arzneimittelverbrauch. Das liegt sowohl an der unterschiedlichen Alters- und Krankenstruktur in den Regionen als auch an den unterschiedlichen ärztlichen Angeboten in Stadt und Land.