Ausgeprägte regionale Unterschiede bei Entfernungen der Gaumenmandeln bei Kindern und Jugendlichen
In einigen Kreisen Deutschlands werden acht Mal so vielen Kindern und Jugendlichen die Gaumenmandeln im Krankenhaus entfernt wie in anderen. Ursache sind vor allem fehlende Entscheidungsgrundlagen für Ärzte und Patienten aber auch versorgungsstrukturelle Unterschiede.
Berlin, 14. Mai 2013 (IGES Institut) - Das geht aus dem aktuellen Faktencheck "Entfernung der Gaumenmandeln bei Kindern und Jugendlichen" hervor, für den Wissenschaftler des IGES Instituts die Versorgungsituation dieser häufigsten Leistung von HNO-Abteilungen analysiert haben.
Jährlich werden 48 von 10.000 Kindern und Jugendlichen die Gaumenmandeln entfernt. Um das Dreifache – zwar weniger als auf Kreisebene, aber immer noch deutlich - variiert die Häufigkeit des Eingriffes allein schon zwischen den Bundesländern: So wurden im Zeitraum 2007 bis 2010 jährlich von 10.000 Kindern und Jugendlichen aus Bremen 76 operiert, dagegen nur 27 aus Berlin.
In der Untersuchung wird die Operationshäufigkeit erstmalig auch danach differenziert, welche Erkrankungen die Gaumenmandelentfernungen am häufigsten begründen: Wiederholte Entzündungen der Mandeln sowie eine Verengung der Atemwege aufgrund einer starken Vergrößerung der Mandeln. Bei dieser differenzierteren Betrachtung zeigen sich noch stärkere regionale Unterschiede der Operationshäufigkeit als bei der Gesamtschau der Operationen.
Nach Erkenntnissen der Experten ist diese enorme Heterogenität nicht durch regional unterschiedliche Krankheitshäufigkeiten zu erklären. Vielmehr deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Ärzte und auch Eltern bzw. jugendliche Patienten Krankheitsbilder unterschiedlich bewerten und als Folge verschiedene Behandlungsentscheidungen treffen. Die Wissenschaftler empfehlen daher, dringend bisher fehlende medizinische Leitlinien für Mandeloperationen zu formulieren und zu etablieren.
Für den Faktencheck wurden von den IGES-Experten zudem etwaige Einflüsse versorgungsstruktureller Gegebenheiten auf die Operationshäufigkeiten analysiert. Dabei wurde beispielsweise festgestellt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Größe der HNO-Fachabteilungen und der regionalen Häufigkeit von Gaumenmandelentfernungen gibt.
Da die Ursachen von Unterschiede der regionalen Krankenhaushäufigkeit häufig nur schwer einer Akteursgruppe zugeordnet werden können, wurden von IGES erstmalig für diesen Faktencheck auch Regionaldatenblätter entwickelt. Dieses webbasierte Informationsangebot bietet flexible Möglichkeiten, die Operationshäufigkeiten der Kinder- und Jugendlichen im eigenen Kreis mit denen anderer Kreise oder der Landes- oder Bundesreferenz zu vergleichen.
Der aktuelle Report entstand im Auftrag des „Faktencheck Gesundheit“, einer Initiative für gute Gesundheitsversorgung (INIgG) der Bertelsmann Stiftung. Ziel ist eine bessere Information über die Hintergründe der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Die Reporte erscheinen mehrmals pro Jahr und haben jeweils ein bestimmtes medizinische Thema zum Schwerpunkt. Dabei werten Experten öffentliche Statistiken etwa vom Statistischen Bundesamt oder aus Qualitätsberichten der Krankenhäuser aus. Ferner nutzen sie Daten gesetzlicher und privater Krankenkassen.
IGES-Experten haben bislang bereits den initialen Übersichtsreport aus der Faktencheckreihe zu „Regionalen Unterschieden in der Gesundheitsversorgung“ verfasst sowie am Faktencheck „Kaiserschnittgeburten - Entwicklung und regionale Verteilung“ führend mitgewirkt.