Import innovativer Versorgungskonzepte als Denkanstöße nutzen
Der geplante Innovationsfonds soll die medizinische Versorgung in Deutschland weiter verbessern. Projektideen könnten dabei auch durch einen Blick ins Ausland entstehen. Das zeigt eine Studie des IGES Instituts, in der die Potenziale neuartiger, internationaler Konzepte in der hausärztlichen Versorgung für Deutschland untersucht werden. Beauftragt hatte die Studie der GKV-Spitzenverband.
Berlin, 25. Juli 2014 (IGES Institut) - Ziel war es, nach realistischen Möglichkeiten zu suchen, um die steigenden Versorgungsbedarfe einer älter werdenden und schrumpfenden Gesellschaft in Zeiten des demographischen Wandels zu sichern. Die in der Studie „Gute Praxis in der ambulanten Versorgung“ identifizierten Ansätze sind auch hier theoretisch bekannt oder teilweise pilotiert, werden im Ausland aber viel konsequenter umgesetzt. Sie setzen an den im internationalen Vergleich relevantesten Defiziten der ambulanten Versorgung in Deutschland an: der hohen Behandlungsdichte je Arzt aber zugleich vergleichsweise kurzen Behandlungszeit je Patient, dem geringen Einsatz elektronischer Hilfsmittel sowie der verbesserungsfähigen Kooperation der Leistungserbringer.
Pflegekräfte mehr integrieren
Die IGES-Experten empfehlen beispielsweise einen stärkeren Einsatz von Pflegekräften für ausgewählte ärztliche Leistungen. So leisten etwa in den Niederlanden Krankenpflegekräfte erste ambulante Hilfe außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten. Oder in England übernehmen Pflegefachkräfte die Routineversorgung von Asthmapatienten. Diese Ansätze führen Untersuchungen zufolge zwar kaum zu Einsparungen, sie erhöhen aber die Patientenzufriedenheit und schaffen zusätzliche personelle Ressourcen für die Versorgung.
In Deutschland müssten dafür zunächst ausreichend geeignete Fachkräfte ausgebildet werden. Die Substitution von ärztlichen Leistungen sollte mit Modellversuchen vorbereitet werden. Eine Delegation könnte hingegen bereits kurzfristig zu einer Regelleistung mit entsprechender Vergütung entwickelt werden, so die IGES-Experten.
Kulturwandel in der Telemedizin einleiten
Auch E-Health-Anwendungen sind im Ausland in der Praxis viel etablierter als in Deutschland, obwohl es dazu bereits zahlreiche Modellversuche gab. Dazu gehören Hotlines, Telesprechstunden, Videokonferenzen, Telemonitoring oder Zweitmeinungskonferenzen. Sie verbessern den Zugang zur ärztlichen Versorgung und machen sie effizienter.
Derzeit hindern noch rechtliche, finanzielle und auch Vorurteile den breiteren Einsatz der Telemedizin in Deutschland. Den Autoren zufolge können Selektivverträge ihre Verbreitung fördern.
Arzttermine ohne lange Wartezeit
Ein weiteres innovatives und nachweislich erfolgreiches Konzept aus dem englischsprachigen Raum ist “Advanced Access“, ein modernes Terminmanagement-System. Dabei werden die Praxisabläufe so organisiert, dass jedem Patienten ein Termin noch am Tag seiner Anfrage angeboten wird. Möglich machen dies genaue Kenntnisse über die Patientenströme. Dieses Konzept erhöht auch die Arbeitszufriedenheit der Ärzte. Um es in Deutschland bekannter zu machen und zu etablieren, wäre eine konzertierte gemeinsame Umsetzung aller Ärzte in einer abgeschlossenen geografischen Region etwa im Rahmen eines Modellvorhabens hilfreich, heißt es in der IGES-Studie.
MVZ weiterentwickeln
Anregung für eine noch stärkere Bündelung und Koordination ambulanter Versorgung bieten die in den USA entwickelten „Patient Centered Medical Homes“ (PCMH). Sie sind dort eine Reaktion auf den auch für die USA vorhergesagten Ärztemangel. PCMH sind im Vergleich zu deutschen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) wesentlich patientenorientierter und auf die interdisziplinäre Koordination der gesamten Behandlungskette ausgerichtet. Auch hier bietet sich für eine Erprobung in Deutschland ein Modellversuch etwa mit einer Kassenärztlichen Vereinigung an.
Viele Konzepte könnten zudem miteinander kombiniert werden. Das Fazit der IGES-Autoren: „Viele Ansätze können helfen, die hiesige Diskussion um neue Denkmöglichkeiten zu bereichern. Ein breiteres Spektrum an Alternativen trägt dazu bei, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und eine immer bessere hausärztliche Versorgung der Versicherten zu erreichen.“