Studie: Neue Bedarfsplanung ist noch immer zu wenig am Versorgungsbedarf orientiert
Deutschland verfügt im internationalen Vergleich über viele ambulant tätige Ärzte. Doch ihre regionale Verteilung entspricht vor allem bei hausarztnahen Fachärzten nach wie vor nicht dem Versorgungsbedarf der Menschen – und eine wesentliche Verbesserung ist auch nicht in Sicht. Das zeigt eine Studie des IGES Instituts, in der Experten eine erste Bewertung der seit 2013 geltenden neuen Bedarfsplanung der Arztsitze vorgenommen haben.
Berlin, 10. Juli 2014 (IGES Institut) - Vor allem Unterschiede zwischen Land und Stadt und zwischen neuen und alten Bundesländern bleiben unter der neuen Planung bestehen oder verschärfen sich, wie die Analyse im Auftrag des Faktenchecks Gesundheit der Bertelsmann Stiftung zeigt. So würde auch nach der neuen Planung weiterhin jeder dritte Kinderarzt in einer Großstadt tätig sein, obwohl dort nur jedes vierte Kind lebt. Ganz ähnlich verhält es sich mit der geplanten Verteilung der Frauen- und Augenärzte.
Im Wesentlichen drei Ursachen sehen die IGES-Autoren dafür. Zum einen werden das Krankheitsrisiko der Menschen sowie sozioökonomische Faktoren wie Arbeitslosigkeit oder die Einkommenssituation bei der Planung zu wenig berücksichtigt. Zum anderen ist die neue Bedarfsplanung teilweise zu grobmaschig. Die Planungsbereiche, denen Arztsitze zugeteilt werden, sind für hausarztnahe Fachärzte weiterhin relativ großräumig angelegt, was einer gleichmäßigeren Verteilung in der Fläche entgegenwirkt. Und schließlich wird die Zahl der Einwohner pro Arzt, die Verhältniszahl, weiterhin nach Regionstypen wie Land oder Stadt unterschieden. Regionale Ungleichheiten werden daher fortgeschrieben. Anders bei den Hausärzten: Hier gibt es inzwischen eine bundeseinheitliche Verhältniszahl.
Dadurch und durch verkleinerte Planungsbereiche wird einzig für Hausärzte eine bessere Bedarfsorientierung erreicht. Entspricht derzeit die Hausärztedichte bei weniger als einem Fünftel der Planungsregionen (18,7 Prozent) dem relativen Versorgungsbedarf der Bewohner, wird das nach der neuen Planung zumindest bei fast der Hälfte der Regionen der Fall sein (46,4 Prozent). Dies setzt jedoch voraus, dass junge Mediziner die geplanten Arztsitze tatsächlich besetzen. Die Bedarfsplanung zeigt hier lediglich den Handlungsbedarf auf. Sie ist daher durch Instrumente zu flankieren, mit denen die Planvorgaben auch umgesetzt werden können.
Ziel der Studie war es nicht zu untersuchen, ob es zu viele oder zu wenig Ärzte in Deutschland gibt. Vielmehr wurde überprüft, ob die regionale Verteilung der Arztsitze bzw. die Ärztedichte angemessen ist. Dafür einwickelten die IGES-Experten einen Bedarfsindex, der stärker als in der bisherigen Bedarfsplanung das Krankheitsrisiko der Menschen widerspiegelt. Einbezogen wurden morbiditätsbezogene Faktoren wie Sterblichkeit oder Pflegebedarf, aber auch sozioökonomische Faktoren wie Einkommen oder Arbeitslosigkeit. Die damit ermittelte regionale Verteilung des medizinischen Versorgungsbedarfs verglichen sie anschließend mit der aktuellen sowie der nach der Bedarfsplanung vorgesehenen Arztverteilung. Dabei gingen die IGES-Wissenschaftler von der derzeitigen sowie der geplanten Gesamtzahl niedergelassener Ärzte aus.
Das in der nun vorgelegten Studie beschriebene Konzept einer stärker bedarfsorientierten Planung der Arztsitze knüpft an ein Gutachten an, das IGES-Wissenschaftler im Juni 2012 im Auftrag der Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erstellt hatten. Der bereits damals vorgeschlagene Bedarfsindex wurde nun weiterentwickelt.