Mehr Hirndoping-Fälle bei Berufstätigen
Doping am Arbeitsplatz nimmt zu. Der Anteil der Erwerbstätigen, der mindestens einmal verschreibungspflichtige Medikamente missbraucht hat, um leistungsfähiger zu sein oder das psychische Wohlbefinden zu verbessern, liegt nach aktuellen Zahlen bei 6,7 Prozent. Im Jahr 2008 waren es noch 4,7 Prozent. Erstmals haben IGES-Wissenschaftler zudem die Dunkelziffer ermittelt. Rechnet man diese mit ein, ist sogar von 12 Prozent der Berufstätigen auszugehen, die jemals so genanntes pharmakologisches Neuroenhancement praktiziert haben.
Berlin, 17. März 2015 (IGES Institut) - Zugenommen hat auch der Anteil derjenigen, denen der vermeintliche Nutzen bestimmter Arzneimittel bei Stress und Druck im Job bekannt ist: von 45 Prozent in 2008 auf 69 Prozent 2014. Das geht aus dem aktuellen DAK-Gesundheitsreport 2015 hervor, den IGES-Wissenschaftler im Auftrag der Krankenkasse erstellt haben.
Harter Kern von Nutzern
Dennoch ist für IGES-Experten Neuroenhancement kein verbreitetes Phänomen. 83 Prozent der Berufstätigen lehnen dies zudem weiter kategorisch ab. Alarmierend sei jedoch ein harter Kern von Nutzern: Zwei bis 3,5 Prozent der Erwerbstätigen sind regelmäßige Konsumenten, greifen mindestens zweimal im Monat auf zweckentfremdete Arzneimittel zurück. Und es gibt eine Risikogruppe für Doping, denn für jeden zehnten Berufstätigen ist dies durchaus vorstellbar.
Für den Themenschwerpunkt „Update Doping am Arbeitsplatz“ des DAK-Gesundheitsreports hatten die IGES-Forscher Arzneimitteldaten von 2,6 Millionen berufstätigen Versicherten ausgewertet und ergänzend rund 5.000 Angestellte und Selbstständige im Alter von 20 bis 50 Jahren befragt. Die Analyse setzt Untersuchungen aus dem Jahr 2008 zu diesem Thema fort.
Hochqualifizierte dopen kaum
Überraschend kam heraus, dass nicht Hoch-Qualifizierte oder Führungskräfte am anfälligsten für leistungs- und stimmungsaufhellende Substanzen sind. Vielmehr findet sich mit 8,5 Prozent der höchste Anteil von Dopern bei Arbeitern und Angestellten mit einfachen Tätigkeiten. Bei Gelernten und Qualifizierten sind dies 6,7 Prozent. Auch sehr hohe Leistungsanforderungen, geringe Fehlertoleranz, Arbeitsplatzunsicherheit erhöhen das Risiko des Medikamentenmissbrauchs.
Jeder zehnte Doper nimmt ADHS-Medikament Ritalin
Zum Hirndoping werden am häufigsten Medikamente gegen Angst, Nervosität und Unruhe (60,6 Prozent) sowie Medikamente gegen Depressionen (34 Prozent) eingenommen. Rund jeder achte nimmt etwas gegen Müdigkeit ein, fast jeder zehnte Mittel, die bei Aufmerksamkeitsdefizit- bzw. Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eingesetzt werden wie Methylphenidat, bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin.
Auch im DAK-Gesundheitsreport zu finden: Die wichtigsten Eckdaten zum Krankenstand von Arbeitnehmern:
- Der Krankenstand ist 2014 nach einem Anstieg im Vorjahr um 0,1 Prozentpunkte gesunken. Er lag bei 3,9 Prozent: Das bedeutet, dass 2014 durchschnittlich jeden Tag 39 von 1.000 Berufstätigen arbeitsunfähig waren.
- Für etwas weniger als jeden Zweiten lag 2014 eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung vor (Betroffenenquote von 48 Prozent, 2013: 51 Prozent). Im Mittel fehlten Betroffene dann rund 12 Tage.
- Fast ein Viertel aller Ausfalltage gingen auf Muskel-Skelett-Erkrankungen zurück, 17 Prozent waren durch psychische Krankheiten und 14 Prozent durch Erkrankungen des Atmungssystems wie beispielsweise Erkältungen verursacht.
- Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden nehmen wieder stärker zu. Sie führten zu 237 Ausfalltagen bezogen auf 100 Versicherte. Das ist ein Plus von 11,5 Prozent im Vergleich zu 2013.