(von links): Dr. Martin Albrecht, Geschäftsführer am IGES Institut; Staatssekretär Karl-Josef Laumann, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege, Foto: Schulten/IGES Institut
Patientenrechtegesetz: Verbesserungen reichen noch nicht aus
Drei Jahre nach Einführung des Patientenrechtegesetzes ziehen Experten eine verhalten positive Bilanz. Das Gesetz hat mehr Rechtsklarheit und eine bessere Aufklärung der Patienten gebracht. Doch es gibt weiterhin Wissenslücken. Zudem stoßen einige Regelungen noch auf praktische Probleme. Konkrete Nachbesserungsbedarfe sind erkennbar.
Berlin, 09. November 2016 (IGES Institut) - Das geht aus einer Studie des IGES Instituts im Auftrag des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, hervor. Dafür hatten Wissenschaftler bundesweit mehr als 500 Versicherte und Patienten sowie Verbände befragt. Auch Auswertungen von Literatur und Rechtsprechung sind eingeflossen, um die Wirkungen des Anfang 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetzes zu untersuchen.
Hohe Wertschätzung – aber Wissensdefizite bei den Details
Danach messen die Befragten dem Patientenrechtegesetz und den darin verankerten Rechten eine große Bedeutung bei. Insbesondere ist ihnen die gesetzliche Pflicht des Arztes, vor medizinischen Maßnahmen die Einwilligung des Patienten einzuholen, wichtig. Deutlich wurde auch, dass die große Mehrzahl aller befragten Patienten zufrieden damit war, wie Ärzte sie vor einer Operation aufgeklärt haben. Etwas weniger zufrieden waren sie mit Informationen durch einen niedergelassenen Arzt über ambulante Behandlungen.
Trotz zahlreicher Aufklärungsmaßnahmen kennen aber 60 Prozent die spezifischen Regelungen des Gesetzes nicht. Und nur die Hälfte derjenigen, die aktiv nach Informationen zu Patientenrechten suchen, findet als verlässlich eingestufte Angaben. Auch nur jeder dritte Arzt kannte das Gesetz lediglich vom Hörensagen, wie eine in der IGES-Studie zitierte Analyse zeigt.
Blackbox Rechte gegenüber Krankenkassen
Wissensdefizite gibt es unter den befragten Versicherten darüber, welche Rechte sie gegenüber ihrer Krankenkasse haben: Nur gut jedem Dritten ist bekannt, dass Kassen innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist über Anträge auf Kostenübernahme entscheiden müssen.
Auch die Regelung, dass die Krankenkassen ihren Versicherten Kosten für selbst beschaffte Leistungen erstatten müssen, wenn sie entsprechende Kostenanträge nicht fristgerecht entscheiden, scheint diese Prüfverfahren noch nicht beschleunigt zu haben. Unklar ist derzeit, wie sich die Anzahl und Ergebnisse der Entscheide entwickelt haben. Um auch in diesem Bereich mehr Transparenz zu erhalten, empfehlen die Studienautoren, die Berichtspflichten der Krankenkassen dazu zu erweitern.
Das Patientenrechtegesetz regelt eindeutiger, wann Ärzte ihre Patienten über mögliche Behandlungsfehler informieren müssen: nämlich nur auf Nachfrage des Patienten oder bei gesundheitlicher Gefahr. Allerdings ist dies nur jedem fünften Patienten klar. Die meisten (68 Prozent) gehen davon aus, dass Ärzte ihre Patienten bei einem Fehlerverdacht immer informieren müssen.
Kassen für Versicherte kein Partner bei Verdacht auf Behandlungsfehler
Neu im Patientengesetz ist unter anderem, dass Krankenkassen Versicherte bei Schadensersatzverfahren nach ärztlichen Behandlungsfehlern unterstützen sollen. Allerdings würde der Studie zufolge nur jeder Vierte seine Krankenkasse kontaktieren, wenn er einen Behandlungsfehler vermutet. Die genaue Art der Unterstützung regelt das Gesetz jedoch nicht. Derzeit unterscheidet sich die Praxis der Hilfestellung von Kasse zu Kasse. Daher raten die Studienautoren, kassenübergreifende Standards zu etablieren.
Trotz der uneinheitlichen Bilanz des Gesetzes, sollte es den Experten zufolge zunächst nicht grundlegend geändert, sondern nur in wenigen Teilbereichen weiterentwickelt werden. Ansonsten sollten zunächst weitere praktische Erfahrungen damit gesammelt werden, bevor weitergehende Eingriffe in das Gesetz vorgenommen werden.
Hintergrund:
Das „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ (Patientenrechtegesetz) trat am 26. Februar 2013 in Kraft. Dem Gesetzgeber zufolge soll es die zuvor bestehende lückenhafte und sehr heterogene Rechtslage für Verbraucher transparenter machen und Umsetzungsdefizite beseitigen.
Die IGES-Studie analysiert die Wirkungen des Gesetzes mit Blick auf folgende Regelungen: zur Information und Aufklärung des Patienten sowie zur Einwilligung des Patienten in medizinische Maßnahmen. Ferner standen die Verpflichtung von Krankenkassen, bei der Bearbeitung von Leistungsanträgen der Versicherten bestimmte Bearbeitungsfristen einzuhalten sowie ihre Versicherten bei Behandlungsfehlern zu unterstützen, im Fokus.