Konzept für Patientenlotsen soll Versorgung chronisch Kranker verbessern
Ein Einsatz von Patientenlotsen für bestimmte Patientengruppen mit komplexem Versorgungsbedarf wäre aus Sicht von Experten in Deutschland geboten. Dabei geht es um die Unterstützung von chronisch und mehrfach erkrankten Menschen beim Management ihrer Erkrankung angesichts einer für Patienten oft unübersichtlichen Versorgungslandschaft und fehlender Vernetzung von Leistungserbringern. Diese Hilfe könnte als zusätzliche Leistung der gesetzlichen Krankenkassen etabliert werden.
Titel der Studie: Studie zum Versorgungsmanagement durch Patientenlotsen
Hintergrund: Die komplexe und zersplitterte Versorgungslandschaft in Deutschland ist für Patienten oft schwer zu verstehen und es mangelt an Koordination. Zugleich steigen infolge der Alterung der Menschen die Versorgungsbedarfe. Behandlungen bleiben aus oder setzen verspätet ein. Dies mindert die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung.
Fragestellung: Inwieweit können Patientenlotsen (PL) Patienten bei der Organisation der Versorgung ihrer Erkrankung(e)(en) unterstützen? Wie könnten Patientenlotsen im deutschen Gesundheitssystem etabliert werden?
Methode: Systematische, internationale Literaturrecherche und -analyse, strukturierte Auswertung von Untersuchungen zu Modellprojekten, Experteninterviews- und -workshop, Analyse sozialrechtlicher Regelungen
Ergebnisse: Studien deuten auf positive Effekte durch PL für Patienten und ihre Angehörige hin und sollten vor allem chronisch Kranke und multimorbide Patienten unterstützen. Sie tragen dazu bei, die starke Segmentierung im Gesundheitswesen zu überwinden. PL-Angebote könnten im SGB V als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verankert sein.
Autoren: Grit Braeseke, Stefan Huster, Claudia Pflug, Sandra Rieckhoff, Jonathan Ströttchen, Hans-Dieter Nolting, Sinja Henrike Meyer-Rötz
Auftraggeber: Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten
Schlagwörter: : Versorgungsmanagement, Patientenlotsen, Multimorbidität
Berlin, 19. Oktober 2018 (IGES Institut) - Das geht aus einem Gutachten des IGES Instituts für den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten hervor. Es entstand gemeinsam mit dem Sozialrechtler Prof. Dr. Stefan Huster von der Ruhr-Universität Bochum. Darin analysieren IGES-Wissenschaftler bestehende nationale und internationale Erfahrungen mit Patientenlotsen, international Case-Manager genannt. Sie schlagen zudem vor, wie Patientenlotsen sozialrechtlich und organisatorisch bundesweit implementiert werden können. In Deutschland existieren zahlreiche Modellprojekte mit Patientenlosten. Nur wenige davon werden bisher dauerhaft fortgeführt. Sie laufen meist regional kleinräumig.
Danach deuten Studien darauf hin, dass rund fünf Prozent der chronisch Kranken auf Unterstützung beim Management ihrer medizinischen Versorgung angewiesen sind. Auf Deutschland hochgerechnet wären dies rund 720.000 Patienten, von denen Experten zufolge schätzungsweise rund zwei Drittel ein entsprechendes Hilfsangebot nutzen würden.
Kosten von schätzungsweise 600 Millionen Euro jährlich
Ausgehend von einem Beratungsbedarf von durchschnittlich 15 Stunden pro Jahr und Patient und auf Basis gängiger Vergütung vergleichbarer Berufsgruppen ist laut Gutachten mit Kosten von gut 600 Millionen Euro für den Einsatz von Patientenlotsen zu rechnen. Demgegenüber ständen Einsparungen durch verbesserte Compliance und Versorgungskontinuität, weil durch die fachkundige Betreuung und Anleitung etwa Krankenhausaufenthalte vermieden werden können.
Als Zielgruppe sehen die Gutachter schwer oder chronisch Kranke und multimorbide Patienten, die nicht adäquat am Behandlungsprozess mitwirken können. Dies gelingt ihnen nicht, weil sie eine geringe Gesundheitskompetenz haben oder körperlich oder geistig eingeschränkt sind. Auch können sie nicht auf Hilfe aus dem privaten Umfeld zurückgreifen. Erschwerend kommt hinzu, dass ihnen wie vielen anderen Menschen auch die Strukturen des deutschen Gesundheitswesens und der Zugang zu Versorgungsangeboten unklar sind. Therapeutische Maßnahmen bleiben in Folge aus oder finden nur teilweise oder verspätet statt.
Genau an dieser Problemlage sollen Patientenlotsen ansetzen. Ihre Aufgabe ist es, Patienten über ihre Krankheit zu informieren, die Versorgung zu organisieren und als kontinuierlicher Ansprechpartner bereitzustehen. Medizinische Fachangestellte, Pflegefachkräfte oder auch Soziotherapeuten mit ausgewählten Zusatzausbildungen wären den Gutachtern zufolge dafür geeignet.
Patientenlotsen als Leistung der GKV
Leistungen von Patientenlotsen sollten im SGB V als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verankert sein. Diese würden auch die Kosten tragen, eventuell mitfinanziert aus Mitteln der Pflegeversicherung. Niedergelassene Ärzte oder Krankenhausärzte könnten dem vorgeschlagenen Konzept zufolge eine Betreuung durch Patientenlotsen verordnen. Im stationären Bereich würde dies im Rahmen eines erweiterten Entlassmanagements erfolgen, um so Versorgungsbrüche nach Klinikaufenthalten zu verhindern. Patientenlotsen würden somit auch dazu beitragen, die starke Segmentierung im Gesundheitswesen zu überwinden. Basis sollte ein individuell erstellter Versorgungsplan für jeden Patienten sein, der in der Regel einen Zeitraum zwischen sechs und 12 Monaten umfasst.