Arzneimittelversorgung in Post-Corona-Zeiten: Schub für neue Finanzierungsmodelle
Die Covid-19-Pandemie wird den finanziellen Druck auf Gesundheitssysteme weltweit erhöhen. Wie stark es in Folge der Gesundheitskrise zu Kostensenkungsmaßnahmen kommt, ist Experten zufolge noch nicht absehbar. Mit Blick auf innovative Arzneimittel könnten derartige Maßnahmen jedoch neuen Finanzierungsmodellen einen Schub verleihen.
Berlin, 16. Juni 2020 (IGES Institut) - Das ist ein Fazit eines Fachdialogs auf der diesjährigen BIO Convention, dem weltgrößten Kongress für Biotechnologie, der in diesem Jahr erstmals virtuell im Internet über die Bühne ging. Panel-Teilnehmer Fabian Berkemeier, Leiter des IGES Bereichs Value & Access Strategy am IGES Institut, wies darauf hin, dass sich die europäischen Staaten zwar derzeit noch in einer Phase der Notfall- und Rettungszahlungen für ihre Gesundheitssysteme, insbesondere für Krankenhäuser und Ärzte befänden. Sollte sich die wirtschaftliche Entwicklung nach COVID-19 jedoch eher langsam erholen, könnten auch Arzneimittel in den Fokus von Gesetzgebung zur Kostenreduzierung rücken.
Mit Blick auf neuartige zielgerichtete und oft hochpreisige Therapien gegen seltene oder genetisch bedingte Krankheiten stelle sich jedoch die Frage, ob bisherige Instrumente wie etwa Rabatte als ausreichend angesehen würden, so Berkemeier. Denn deren Ausgabenanteile an den gesamten Arzneimittelausgaben seien derzeit noch relativ gering. So bewege sich der Ausgabenanteil von Therapien mit mehr als 100.000 Euro Jahrestherapiekosten je Patient aktuell bei rund acht Prozent. Dennoch ständen Arzneimittel mit hohen sechs- bis siebenstelligen Preisen immer wieder in der Diskussion.
Zusammenarbeit von pharmazeutischen Herstellern und Kostenträgern nötig
Berkemeier: „Für die Zukunft wird es entscheidend sein, dass pharmazeutische Unternehmen und Kostenträger wirklich zusammenarbeiten. So kann es gelingen, in einer Zeit der allgemeinen Budgetknappheit Modelle zu implementieren, mit denen innovative, aber teure Behandlungen in die Gesundheitssysteme eingebracht werden können, damit letztendlich die Patienten Zugang zu diesen Behandlungen zu erhalten.“
So müssten innovative Zahlungsmodelle gefunden werden, um die teilweise einmalig anfallenden Jahrestherapiekosten in jährliche Budgetstrukturen der Kostenträger zu implementieren und Krankenkassen zudem von späteren Einsparungen durch diese Therapien mit profitieren zu lassen. Berkemeier sieht sowohl bei Krankenkassen als auch bei Herstellern eine große Bereitschaft für eine Zusammenarbeit, um Patienten auch künftig den Zugang zu innovativen Arzneimitteln zu sichern.
Unterschiedliche Marktzugangsmöglichkeiten in Europa erwartet
Der Arzneimittelmarkt-Experte erwartet zudem, dass sich künftige Marktzugangsmöglichkeiten für Hersteller europaweit sehr verschieden entwickeln werden, da einzelnen Länder unterschiedlich stark von Covid-19 betroffen waren.
„Die Biotechnologie-Branche sollte Post-Covid-19-Herausforderungen schon jetzt in ihren Geschäftsplänen für EU-Marktzugänge berücksichtigen, denn innovative Reimbursement-Modelle benötigen viel Zeit für die strategische Planung und Entwicklung“, so Berkemeier.
Die bisher in US-Metropolen stattfindende Bio Convention nannte sich 2020 coronabedingt erstmals Bio Digital. Die IGES Gruppe trägt seit Jahren zum fachlichen Programm bei und ist als Aussteller vor Ort. Die in englischer Sprache ablaufende Panelrunde trug den Titel „How will healthcare systems adapt to the Post-Covid-19-World“.