GKV-Finanzen: 2025 droht ein Defizit von 27,3 Milliarden Euro
Bei den gesetzlichen Krankenkassen klaffen Einnahmen und Ausgaben immer weiter auseinander. Die für 2022 absehbare Finanzlücke werden die Kassen nicht mehr mit ihren Reserven ausgleichen können. In Folge drohen wachsende jährliche Defizite bis zu 27,3 Milliarden Euro im Jahr 2025. Ohne Gegenmaßnahmen würde dies für Versicherte rechnerisch einen Anstieg des Zusatzbeitragssatzes von derzeit 1,3 Prozent auf durchschnittlich 2,9 Prozent bedeuten. Eine Schlüsselrolle bei der künftigen Gegenfinanzierung der GKV-Ausgaben könnte versicherungsfremden Leistungen zukommen.
Berlin, 14. Juni 2021 (IGES Institut) – Um den zusätzlichen Finanzbedarf der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bereits für 2022 zu decken, müsste der ergänzende Bundeszuschuss um 15,6 Milliarden Euro erhöht werden. Das ist mehr als doppelt so viel, wie der jüngst von der Bundesregierung bewilligte Zuschuss. Insgesamt lägen die Bundeszuschüsse an die GKV dann bei 30 Milliarden Euro.
Das zeigen Schätzungen des IGES Instituts für die DAK-Gesundheit. Dafür gingen die IGES-Experten in einem sogenannten Basisszenario davon aus, dass sich die Ein- und Ausgaben der GKV künftig moderat weiterentwickeln.
Nach diesem Basisszenario würde sich der zusätzliche Finanzbedarf bis 2025 auf 27,3 Milliarden Euro steigern. Um diesen zu decken, ist rechnerisch ein Zusatzbeitragssatz von 2,87 Prozent nötig. Das sind 1,6 Prozentpunkte mehr als der derzeitige Zusatzbeitragssatz von 1,3 Prozent.
Einfluss der Corona-Pandemie gering
Die Folgen der Corona-Pandemie spielen bei diesen Entwicklungen nur eine untergeordnete Rolle. So gingen die Mittel zur Bekämpfung der Pandemie größtenteils nicht zulasten der GKV, sondern wurden mit Steuermitteln des Bundes finanziert. Zudem dämpfte die Corona-Krise die Ausgaben sogar, weil die Menschen weniger Gesundheitsleistungen in Anspruch nahmen. So sank die Anzahl der Behandlungsfälle in Kliniken 2020 deutlich, was den Zuwachs der Krankenhausausgaben halbiert: von jährlich 3,7 Prozent im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2019 auf rund 1,5 Prozent im Jahr 2020 (Datenstand Juni 2021).
Für ihre Schätzungen gingen die IGES-Experten zwar von gewissen Nachholeffekten der Corona-Krise aus, ab dem Jahr 2023 aber wieder von einem Einschwenken auf den langfristigen Trend.
Einnahmen und Ausgaben voneinander entkoppelt
Die wesentliche Ursache für die verschlechterten Finanzperspektiven ist, dass sich die Ausgaben der GKV seit Jahren stärker erhöhen als ihre Finanzierungsbasis. So liegt das Ausgabenplus seit 2009 jahresdurchschnittlich bei vier Prozent, während die beitragspflichtigen Einnahmen im Durchschnitt um 3,5 Prozent stiegen.
Ein wichtiger Ausgabenfaktor der Krankenkassen sind sogenannte versicherungsfremde Leistungen. Dazu gehören die beitragsfreie Mitversicherung von Familienmitgliedern, Erziehungs- und Mutterschaftsgeld, Krankengeld oder allgemeine Präventionsleistungen. Summiert man eine Auswahl relevanter Leistungen dieser Art zusammen, ergibt sich geschätzt ein Ausgabenvolumen in Höhe von mehr als 41 Milliarden Euro, rund 16,4 Prozent der gesamten GKV-Leistungsausgaben.
Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen
Seit 2004 unterstützt der Bund die Kassen mit Steuerzuschüssen dabei. Allerdings schwankt dieser Zuschuss sehr stark. 2019 lag er bei 14,5 Milliarden Euro. Würden hingegen die gesamten Ausgaben für die betrachtete Auswahl versicherungsfremder Leistungen in Höhe von mehr als 41 Milliarden Euro durch einen Bundeszuschuss abgegolten werden, müsste dieser um knapp 27 Milliarden Euro erhöht werden. Dieser Betrag entspräche in etwa dem geschätzten erhöhten Finanzbedarf im Jahr 2025 und könnte zu seiner Gegenfinanzierung beitragen.
Was genau zu den versicherungsfremden Leistungen zählt, ist derzeit allerdings nicht genau festgelegt. Die IGES-Experten verweisen in diesem Zusammenhang auf die Empfehlung des Bundesrechnungshofes. Demnach sollten angesichts des absehbaren steigenden Finanzierungsbedarfs in der GKV die zusätzlichen Leistungen genauer definiert werden, um so der GKV eine sichere Finanzplanung zu ermöglichen. Die IGES-Autoren schließen sich dabei der Einschätzung des Bundesrechnungshofes an, dass letztlich der Gesetzgeber entscheiden müsste, welcher Anteil definierter versicherungsfremder Leistungen mit Steuermitteln ausgeglichen werden sollte.
Pessimistisches Szenario bis 2025
Die IGES-Experten verweisen darauf, dass insbesondere die Schätzung der künftigen GKV-Ausgabenentwicklung von Unsicherheiten geprägt ist. So ist derzeit nicht absehbar, wie die Covid-19-Pandemie weiter verläuft. Sie berechneten daher auch ein pessimistisches Szenario, in dem es aufgrund größerer Pandemie-Nachholeffekte oder sonstiger ausgabentreibender Effekte zu höheren Ausgaben kommt. In einem derartigen Szenario könnte sich das Finanzdefizit in der GKV im Jahr 2025 statt auf 27,3 Milliarden Euro sogar auf bis zu 34,8 Milliarden Euro belaufen.