Studie: wie die Arztsuche verbraucherfreundlicher und transparenter wird
Fast jeder zweite Bundesbürger sucht aktuell einen Arzt. Kommunikationsfähigkeit und fachliche Kompetenz von Medizinern sind für die Suchenden dabei die wichtigsten Qualitätskriterien. Solche Informationen finden Verbraucher zunehmend in Bewertungen von Patienten im Internet, deren Bedeutung für mehr Qualitätstransparenz bei der Arztwahl häufig unterschätzt wird. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Online-Arztsuche verbraucherfreundlicher und transparenter zu gestalten. Dazu könnten künftig systematisch Patientenbefragungen oder Abrechnungsdaten der Ärzte beitragen. Noch wichtiger sind jedoch zusätzliche Informationen über den Zugang zu Arztpraxen und ihre freien Behandlungskapazitäten.
Berlin, 9. Juni 2021 (IGES Institut) – Dies sowie viele weitere Erkenntnisse zur Arztsuche sind in der Studie „Transparenz in der vertragsärztlichen Versorgung“ nachzulesen, die nun veröffentlicht wurde. Sie gehen auf ein Forschungsprojekt des IGES Instituts zurück, das durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gefördert wurde. Erste Ergebnisse daraus hatten Experten bereits auf einer Fachtagung diskutiert.
Teil der Studie war eine repräsentative Befragung von mehr als 2.000 Personen. Sie zeigte, dass bei der Arztsuche das Internet zwar eine wesentliche Informationsquelle ist. Spezielle Arztbewertungsportale sind jedoch etwa jedem Dritten unbekannt. Viele der Befragten informieren sich unabhängig von den Portalen über Google oder Websites der Arztpraxen und weiterhin außerhalb des Internets oder über soziale Medien bei Freunden, Familie und Kollegen.
Offene Patientenbewertungen weiter ausbauen
Im Internet abgegebene Bewertungen von anderen Patienten sind die Hauptquelle, um sich bei der Arztsuche ein Qualitätsurteil zu bilden. Verbraucher sehen sich dabei selbst in der Lage, diese typischerweise stark subjektiven Ausführungen entsprechend zu interpretieren. Die IGES-Experten empfehlen daher, das Angebot offener Patientenbewertungen als Informationsquelle für die Arztwahl zu verbessern. Die Bewertungen – insbesondere als Freitexteingabe – sollten genauer als bisher datiert und vor allem direkt einzelnen Ärztinnen und Ärzten zugeordnet sein. Neue Portale oder Portale mit nur geringer Zahl an Kommentaren sollten Patientenbewertungen aktiv fördern oder sich mit anderen Quellen verknüpfen, die über mehr Bewertungen verfügen.
Da offenen Bewertungen häufig nicht alle für Verbraucher relevanten Inhalte abbilden, raten die IGES-Autoren, Ergebnisse aus systematischen Patientenbefragungen zu ergänzen. Dafür könnten bereits bestehenden Befragungsansätze des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aus dem Bereich der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung weiterentwickelt und für Portalbetreiber nutzbar gemacht werden. Diese müssten jedoch gezielt auf die Bedarfe der Arztsuche angepasst werden.
Routinedaten aus dem ärztlichen Behandlungsalltag nutzen
Zusätzlich könnte der Einsatz von Routinedaten der ärztlichen Versorgung die Verbraucher unterstützen, wie es derzeit auch ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung vorsieht. Die Studie zeigt jedoch, dass quantitative und statistische Daten zu Behandlungshäufigkeiten derzeit für Verbraucher eher nachrangig sind. Indikatoren, die den Informationsbedürfnissen der Verbraucher bei der Arztsuche entsprechen, müssen demnach erst entwickelt werden.
Laut IGES wäre es am sinnvollsten, zunächst mit relativ einfachen Informationen zu beginnen, um den methodischen Aufwand bei der Aufarbeitung von ärztlichen Routinedaten so gering wie möglich zu halten. Dies könnten etwa Angaben zu Behandlungshäufigkeiten ausgewählter Krankheiten oder zu bestimmten Therapien sein: also Angaben, aus denen die spezifischen Behandlungserfahrungen eines Arztes bei konkreten Beschwerden hervorgehen, die über die reine Nennung der Fachrichtung eines Arztes hinausgehen.
Patienten bevorzugen einfache Zahlenangaben und visuelle Symbole
Verbraucher bevorzugen bei numerischen Angaben einfache Häufigkeiten gegenüber abstrakteren Angaben wie Prozentwerten, Mittelwerten und Benchmarks, zeigt die Befragung. Auch erleichtern visuelle Symbole, etwa Icons, Checkboxen, wie sie Verbrauchern von anderen Dienstleistungen oder vom Online-Handel her bekannt sind, den Zugang zu den Daten.
Wichtig sind Patienten zudem Informationen über den Zugang zu den Praxen, zeigt die Untersuchung. Bisher sind diese oft auf die einfache Nennung der Kontaktdaten und Öffnungszeiten beschränkt. Dabei sind Verbraucher an umfassenderen Zugangsinformationen interessiert, etwa an Angaben zu Aufnahmekapazitäten neuer Patienten, zu nächstmöglichen Terminen, zu offenen Sprechstunden oder zu Telemedizinangeboten und Barrierefreiheit.
Übersicht der Terminverfügbarkeiten gewünscht
Arzt-Informationsportale sollten zudem filterbare Kartenansichten bieten, damit beispielweise nur diejenigen Praxen gezeigt werden, die neue Patienten aufnehmen oder in einem definierten Zeitraum Termine anbieten.
Aktuelle Gesetzesentwürfe wie das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) sehen zwar eine erhöhte Transparenz etwa zu Sprechstundenzeiten und Videosprechstunden vor, die zukünftig systematisch zur Verfügung gestellt werden sollen. Diese Entwürfe berücksichtigen jedoch bisher nicht das Informationsbedürfnis zu möglichen bestehenden Zugangsbarrieren, wie schlechte telefonische Erreichbarkeit, fehlende Echtzeitinformation zu Aufnahmestopps oder Terminwartezeiten der Praxen.
Prototyp für verbraucherfreundliche Arztwahl als Vorlage entwickelt
Im Rahmen des Projektes wurde ein Prototyp entwickelt, der wesentliche Inhalte eines verbraucherfreundlichen Informationsangebots zusammenfassend beschreibt. Er soll Arztpraxen und auch Suchportalbetreibern als Orientierung dienen.