Den umfassenden Wert von Impfungen sichtbarer machen
Umfassende Bewertung von Impfstoffen
Die Corona-Krise hat sie so deutlich gemacht wie nie zuvor: die herausragende Bedeutung von Impfstoffen im Kampf gegen gefährliche Infektionskrankheiten. Dies könnte der seit langem in der Fachwelt geführten Diskussion über den Nachweis des gesamtgesellschaftlichen Wertes von Impfungen neuen Schub verleihen. Ein bereits vor der Covid-19-Pandemie konzipiertes Diskussionspapier soll dies nun unterstützen. Es zeigt, welche zusätzlichen Dimensionen bei der gesundheitsökonomischen Bewertung von Impfungen einbezogen werden können.
Berlin, 24. November 2021 (IGES Institut) – Erstellt hat das Diskussionspapier ein Wissenschaftlerteam des IGES Institutes in Zusammenarbeit mit einem multidisziplinären Expertengremium, dem Mediziner, Gesundheitsökonomen, Wirtschaftswissenschaftler, Sozialmediziner und Medizinethiker angehören. Auftraggeber ist Pfizer in Deutschland.
Hintergrund ist, dass in Fachkreisen der gesamtgesellschaftliche Wert von Impfungen als unterschätzt gilt. Das liegt unter anderem daran, dass in gesundheitsökonomischen Evaluationen erweiterte Wertedimensionen kaum berücksichtigt werden, weil sie nur indirekt mit der verhinderten Infektionserkrankung zusammenhängen oder sich erst nach langer Zeit auswirken. Zu diesen erweiterten Dimensionen gehören etwa die Verhinderung von Begleiterkrankungen und schweren Krankheitsverläufen, der Bevölkerungsschutz im Sinne der sogenannten „Herdenimmunität“ oder die Sicherung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität, weil es in der Arbeitswelt zu weniger krankheitsbedingten Ausfällen kommt. Letztgenannter Aspekt betrifft nicht allein die Arbeitsfähigkeit und die Sicherung des Einkommens der geimpften Person, sondern ebenfalls die der pflegenden Angehörigen. Auch soziale Effekte kommen hinzu, insoweit Impfungen die gesundheitliche Chancengleichheit verbessern.
Fehlende Standards für umfassende Bewertung
Anerkannte methodische Ansätze, mit denen sich der erweiterte Wert ermitteln und darstellen ließe, existieren bereits und finden sich in einigen Guidelines. Das ergab eine Literaturrecherche des IGES Instituts sowie die Beratungen mit dem Expertengremium. Es fehlen jedoch etablierte, konsentierte Standards, um alle Wertedimensionen gleichermaßen zu evaluieren und somit eine umfassende Bewertung von Impfungen zu ermöglichen. Ein weiteres Problem ist, dass gesundheitsökonomische Evaluationen komplex und intransparent werden, wenn zu viele verschiedene Werteparameter einbezogen werden. Zudem mangelt es vielfach an validen Daten für entsprechende Modellierungen.
Besonders geeignete erweiterte Wertedimensionen nutzen
Das multidisziplinäre Expertengremium stufte Relevanz und Umsetzbarkeit der verschiedenen Wertedimensionen ein. Basis von allem bleibt dabei, die seit langem etablierte Ermittlung der direkten Gesundheitseffekte und Einsparungen von Gesundheitskosten. Sehr relevant und auch methodisch umsetzbar stufen die Fachleute beispielsweise den Beleg von Produktivitätsgewinnen in der Arbeitswelt ein, weil dies auch politische Bedeutung hat. Insbesondere soziale Effekte gelten als relevant, gehen jedoch mit Herausforderungen einher, weil diese schwer zu messen und in Modellierungen schwer zu operationalisieren sind. Etwas weniger relevant, wenn auch teilweise bereits Standard schätzen sie den Nachweis einer Reduktion von Begleiterkrankungen und Komplikationen durch eine Infektionskrankheit ein, weil dies quantitativ weniger bedeutend ist.
Wissenschaftlichen Diskurs voranbringen
Die IGES-Autoren plädieren dafür, die methodischen Herausforderungen bei der umfassenden Bewertung von Impfungen dringend wissenschaftlich weiter zu bearbeiten. Denn, so ihr Fazit: „Eine umfassende Wertebetrachtung von Impfungen kann die Handlungsgrundlage für politische und ökonomische Entscheidungsträger stabilisieren, die Bereitschaft und Unterstützung der Öffentlichkeit für Impfmaßnahmen fördern und somit letztlich einen substantiellen Beitrag zur Verbesserung der gesundheitlichen, gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen leisten.“