2021: Rückgang bei Videosprechstunden um 20 Prozent
Der noch nie erlebte Schub für Videosprechstunden im ersten Jahr der Corona-Pandemie hat sich wieder abgeschwächt. Bot 2020 jede vierte Arztpraxis diese Art der Fernbehandlung an, war es 2021 nur noch jede fünfte - ein Rückgang um 20 Prozent. Dennoch verbleibt dieses neue digitale Versorgungsangebot auf einem deutlich höheren Niveau als in der Vor-Pandemie-Zeit. Allerdings bewerten die Praxen den Nutzen unterschiedlich.
Berlin, 21. Januar 2022 (IGES Institut) - Am stärksten bauten die Hausarztpraxen ihr Angebot an Videosprechstunden ab: Der Anteil mit diesem digitalen Angebot sank von 28 Prozent in 2020 auf 19 Prozent in 2021. Bei der allgemein fachärztlichen Versorgung lag der Anteil der Praxen mit Videosprechstunden unverändert bei 21 Prozent. Spitzenreiter bleiben die psychotherapeutischen Praxen, von denen weiterhin drei Viertel Videositzungen anbieten.
Das geht aus der aktuellen Ausgabe des „PraxisBarometer Digitalisierung“ hervor, den das IGES Institut bereits in vierter Auflage für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erstellt. Grundlage ist eine repräsentative Befragung im Zeitraum September bis Anfang November 2021, an der sich mehr als 2.800 vertragsärztliche und –psychotherapeutische Praxen beteiligten.
Als Hauptgrund für ein Angebot an Videosprechstunden führen immer noch mehr als 80 Prozent der Praxen den Schutz des Praxisteams und der Patienten vor Covid-19 an. Etwas wichtiger ist aber die Patientennachfrage geworden, die knapp jede dritte Praxis als Motiv angibt.
Videosprechstunde für chronisch kranke Patienten
Nach nun fast zwei Jahren Erfahrung mit Sprechstunden per Videochat funktioniert dies in den meisten Praxen mehr oder weniger problemlos, ergab die Befragung. Allerdings finden 80 Prozent der Praxen dies für neue Patienten ungeeignet, 70 Prozent aber für langfristig betreute, chronisch kranke Patienten sinnvoll.
Ernüchterung beim erhofften Nutzen der Digitalisierung
Generell hat sich bei den Praxen 2021 eine große Ernüchterung beim Thema Digitalisierung eingestellt. Anders als noch im Vorjahr schätzen sie den Nutzen nahezu aller bestehenden oder zukünftigen digitalen Anwendungen inzwischen geringer ein. Am wenigsten sehen die Praxen einen hohen Nutzen bei Gesundheits-Apps etwa zum Krankheitsmanagement oder zur Sammlung von Gesundheitsdaten: nur 23 bzw. 20 Prozent erkennen darin einen Mehrwert. Am hilfreichsten bewerten sie Online-Fallbesprechungen mit Kollegen, für die 40 Prozent einen Nutzen für sich sehen.
Unerfüllt scheint auch die Hoffnung, dass die Digitalisierung Arbeitsprozesse erleichtert. Erwartete 2019 mehr als die Hälfte der Praxen ein verbessertes Praxismanagement oder eine bessere Kommunikation mit anderen medizinischen Einrichtungen durch digitale Anwendungen, waren es 2021 nur noch 25 und 40 Prozent.
Stärker empfundene Hemmnisse der Digitalisierung
Ursache könnte sein, dass 2021 die bereits in den vorausgegangenen Befragungen genannten Hemmnisse der Digitalisierung offenbar an Bedeutung gewonnen haben. Für zwei von drei Arztpraxen sind der Umstellungsaufwand, ein als ungünstig empfundenes Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie die Fehleranfälligkeit von EDV-Systemen die größten Erschwernisse bei der Digitalisierung. 2019 wies darauf durchschnittlich nur jede zweite Praxis hin. Auffällig ist auch die erlebte Fehleranfälligkeit der Telematikinfrastruktur (TI): Hierbei ist der Anteil der Praxen, die mindestens wöchentlich Störungen verzeichnen, von 36 Prozent auf 50 Prozent gestiegen.