55 Vorschläge für eine bessere Koordinierung in der ambulanten Pflege
Mehr Netzwerkstrukturen, digitale Koordinierungsplattformen, optimierte Arbeitsorganisation, E-Bikes, Sonderparkrechte oder das Poolen von Pflegeleistungen – es gibt zahlreiche Ansätze, die ambulante Pflege effizienter zu gestalten. Ein neuer multimedialer Handlungsleitfaden gibt dafür 55 praxisnahe und anschauliche Ratschläge. Er richtet sich nicht nur an ambulante Pflegedienste, sondern auch an Pflege- und Krankenkassen sowie mit einigen Hinweisen auch an die Länder und Kommunen.
Berlin, 17. Februar 2023 (IGES Institut) - Entwickelt haben den Handlungsleitfaden Pflegeexpertinnen des IGES Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Empfehlungen setzen an verschiedenen Stellen an: an betrieblichen und organisatorischen Prozessen der ambulanten Pflegedienste, an sozial- und vertragsrechtlichen Rahmenbedingungen und an den Strukturen des derzeitigen Versorgungssystems.
Ablehnung hilfesuchender Pflegebedürftiger bei 80 Prozent der Pflegedienste
Ziel ist, trotz der demografisch bedingten Zunahme der Zahl Pflegebedürftiger und trotz des Pflegepersonalmangels, auch künftig die pflegerische Versorgung zu sichern. Schon jetzt berichten knapp 80 Prozent der ambulanten Pflegedienste, dass sie die Versorgung hilfesuchender Pflegebedürftiger ablehnen mussten, unter anderem aufgrund von Personalmangel oder zu niedriger Vergütung. Das ergab eine bundesweite Befragung von mehr als 800 ambulanten Pflege- und Betreuungsdiensten durch das IGES Institut. Die Ergebnisse der Befragung waren unter anderem Grundlage für die Entwicklung des Handlungsleitfadens.
Die vorhandenen Pflegekapazitäten besser zu steuern, ist ein Ansatzpunkt im Leitfaden. So wird etwa empfohlen, durch (verbindliche) Kooperationen mit anderen an der Versorgung beteiligten Akteuren das Potenzial der Minimierung von Koordinierungsaufwänden besser auszuschöpfen. Auch die Etablierung von digitalen Koordinierungsplattformen ist eine Empfehlung. Dort können Pflegedienste ihre Kapazitäten listen und Pflegebedürftige mit ihren Familien ihre Bedarfe nennen, um besser zueinander zu finden.
Pflegesituation besser monitoren
Ferner rät der Leitfaden zu regionalen Pflegekonferenzen mit allen an der Pflege Beteiligten und mit Einbezug der Kommunen, um die Versorgung besser zu steuern. Viele Regionen haben dies bereits etabliert. Die in der Studie befragten Vertreterinnen und Vertreter der Kostenträger äußerten zudem, dass die Etablierung eines regionalen Monitoringsystems, um regelhaft Informationen zu Pflegebedarfen und –angeboten zu erheben, Potenziale bietet.
Die meisten Tipps richten sich an ambulante Leistungserbringer und sollen unter anderem eine effiziente Arbeitsorganisation fördern. Die Befragung ergab, dass bereits fast 90 Prozent der ambulanten Pflegedienste ihre Einsätze und Touren IT-gestützt planen, jedoch schult nur etwa jeder zweite Pflegedienst sein Personal entsprechend. Dies könnte jedoch die Nutzung und Akzeptanz entsprechender Software unterstützen. Der kollegiale Zusammenhalt, aber auch die Arbeitszufriedenheit werden gestärkt, wenn Pflegeteams ihre Dienstpläne selbst schreiben können.
Wegepauschalen kostendeckender gestalten
Für knapp 80 Prozent der Einrichtungen sind, der Befragung zufolge, Wegepauschalen nicht kostendeckend. Gründe dafür sind unter anderem fehlende Parkmöglichkeiten, Verkehrsbedingungen oder weite Entfernungen. Der Einsatz von E-Bikes im städtischen Raum oder die Schaffung von Sonderparkrechten durch die Kommunen, aber auch veränderte Vergütungsmöglichkeiten wie beispielsweise eine einrichtungsindividuelle statt landesweite Pauschalvergütung könnten Abhilfe schaffen, regt der Leitfaden an.
Vergütungshindernisse für das Poolen von Pflegeleistungen abbauen
Beim Poolen von Pflege- und Betreuungsleistungen, also beim Betreuen von mehreren Pflegebedürftigen in oder außerhalb von Pflegewohngemeinschaften, sehen vor allem Vertreterinnen und Vertreter von Kranken- und Pflegekassen noch deutliche Verbesserungspotenziale. Allerdings stellen sich dabei bisher noch Vergütungsprobleme, die dem Leitfaden zufolge durch entsprechenden Anpassungen bei den Landesrahmenverträgen angegangen werden könnten.
Innovative digitale Unterstützungs-Tools einsetzen
Viele Tipps adressieren die Digitalisierung in der Pflege. Zu den praxisnahen Empfehlungen gehören digitale Schulungen für Pflegekräfte, Ansätze für mehr digitalen Informationsausaustausch untereinander, Pflegedokumentation per Spracheingabe oder Apps zum niedrigschwelligen Austausch mit pflegenden Angehörigen.
Praxisbeispiele als Anregung nutzen
Der Leitfaden ist das Ergebnis der „Studie zu den Effizienzpotentialen einer verbesserten Koordinierung in der ambulanten Pflege“. Sie basiert auf einer umfassenden systematischen Auswertung internationaler und nationaler Literatur über innovative pflegerische Konzepte sowie der derzeitigen gesetzlichen, untergesetzlichen und vertragsrechtlichen Rahmenbedingungen in der ambulanten Pflege. Darüber hinaus sind Erkenntnisse aus empirischen Erhebungen mittels einer bundesweiten Online-Befragung ambulanter Pflegedienste, Pflege- und Krankenkassen sowie aus Interviews und Workshops mit Expertinnen und Experten aus der Pflegepraxis, Verbänden und Kostenträgern eingeflossen. Bei vielen Tipps wird zudem zur Anregung auf bereits existierende Praxisbeispiele oder aber auch bestehende Fördermöglichkeiten verwiesen.