Evaluation der Pflegeberatung: Digitalisierung stärken

Die Angebote der Pflegeberatung der Pflegekassen sind weiter ausgebaut worden und Pflegebedürftige einschließlich ihrer Angehörigen sind damit mehrheitlich zufrieden. Doch noch immer muss das Angebot bekannter gemacht werden und nicht alle Themen sind im Beratungsalltag und in der Fläche umfassend angekommen. Dazu gehört vor allem der Aspekt digitaler Unterstützung in der Pflege.

Titel der Studie: Evaluation der Pflegeberatung und der Pflegeberatungsstrukturen gemäß der gesetzlichen Berichtspflicht nach § 7a Abs. 9 SGB XI

Hintergrund: Seit Beginn des Jahres 2009 hat jeder Pflegebedürftige in Deutschland einen Anspruch auf individuelle Pflegeberatung nach § 7a SGB XI durch die Pflegekassen, die bei Bedarf ein Fallmanagement umfassen kann. Beratungsziel ist es, Pflegebedürftigen die bestmögliche pflegerische Hilfe zu organisieren. Das Angebot muss bis zum Jahr 2026 alle drei Jahre evaluiert werden. Das sieht der Gesetzgeber vor. Darüber hat der GKV-Spitzenverband dem Bundesministerium für Gesundheit zu berichten.

Fragestellungen: Wie ist die Pflegeberatung organisiert und wer nutzt sie? Wie bewerten die Pflegeberater und Ratsuchenden das Angebot? Wo besteht Verbesserungsbedarf? Wie erfolgen Kooperation und Koordination in der Pflegeberatung?

Methode: Befragung von Versicherten mit Erstantrag auf Pflegeleistungen, Pflegebedürftigen nach einer Beratung, Pflegeberatern, Beratungsstellen, Kommunen; Analysen mit Sekundärdaten der Pflegekassen, eigene Recherchen zu den Angebotsstrukturen, Fallstudien.

Ergebnisse: Pflegebedürftige und ihre Angehörige sind mit dem Beratungsangebot mehrheitlich zufrieden. Das Unterstützungsangebot sollte jedoch bekannter sein und nicht alle Themen sind im Beratungsalltag und in der Fläche umfassend angekommen. Vor allem beim Aspekt digitaler Unterstützung in der Pflege gibt es Defizite.

Autoren: Dr. Julia K. Wolff, Claudia Pflug, Dr. Deborah Meier, Paul Roll, Terese Dehl, Lennart Topalov, Hans-Dieter Nolting
    
Auftraggeber: GKV-Spitzenverband

Schlagwörter: Pflegeberatung, Pflegekassen, Evaluation

Veröffentlichung: Februar 2023

Berlin, 30. Juni 2023 (IGES Institut) - Das sind einige der Ergebnisse einer Evaluation der Pflegeberatung (nach § 7a SGB XI), die das IGES Institut im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes erarbeitet hat. Es handelt sich um eine Folgestudie zu einer Evaluation aus dem Jahr 2020, die das IGES ebenfalls erstellt hat. Der Gesetzgeber sieht eine Evaluation bis 2026 alle drei Jahre vor.

Gewünschtes Fallmanagement bleibt teilweise aus

Pflegeberatung nach § 7a SGB XI, eine umfassende Beratung, die bei Bedarf ein Fallmanagement beinhaltet, steht allen gesetzlich Versicherten offen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung beantragen oder bereits beziehen. Fast 90 Prozent ihrer Nutzerinnen und Nutzer geben an, dass sie nach der Beratung die meisten ihrer Fragen beantwortet sehen. 80 Prozent waren zudem mit dem zeitlichen Rahmen zufrieden und konnten dem Gespräch gut folgen. Nicht alle Ratsuchenden erhielten dagegen Unterstützung im Rahmen eines gewünschten Fallmanagements, also Hilfe bei der Umsetzung von Maßnahmen oder Kontaktherstellung zu anderen pflegerischen Akteuren. Die Häufung telefonischer Beratungen und weitere Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie können hierfür ursächlich sein.

Sichtbarkeit der Pflegeberatung erhöhen

Unverändert bei 25 bis 30 Prozent ist seit der vergangenen Evaluation der Anteil der Antragsteller auf Pflegeleistungen, die bisher noch keine Pflegeberatung nach § 7a SGB XI erhalten haben und denen dieses Angebot unbekannt ist. Auch ein Drittel der Beratungsstellen und der Pflegeberaterinnen und -berater empfinden die Sichtbarkeit der Pflegeberatung noch als unzureichend.

In den meisten städtischen Regionen existieren inzwischen Angebote rund um das Thema Pflege für Pflegebedürftige mit besonderen Bedürfnissen, etwa für Pflegebedürftige mit psychischer oder demenzieller Erkrankung, mit Behinderung oder pflegebedürftige Kinder. Aber vor allem in ländlichen Regionen bestehen dabei noch immer Lücken. So steht in jeder dritten ländlichen Region kein spezifisches Beratungsangebot für Kinder und deren Familien bereit.

Gesundheitsförderung oder Prävention seltenere Themen bei der Pflegeberatung

Leistungen der Pflegeversicherung, technische Hilfsmittel in der Pflege, Wohnraumanpassungen, aber auch Belastungen durch die Pflegesituation gehören zu den häufigsten Inhalten der Beratungsgespräche nach § 7a SGB XI. Seltener hingegen werden die Aspekte Gesundheitsförderung und Prävention, Rehabilitation oder Digitalisierung thematisiert. So geben nur etwa drei Prozent der Ratsuchenden an, dass über digitale Angebote zur Unterstützung im Pflegealltag gesprochen wurde.

Derzeit noch wenig Interesse an digitalen Angeboten

Allerdings schätzen die Beraterinnen und Berater das Interesse der Ratsuchenden an digitalen Angeboten als gering ein: Nur 21 Prozent geben an, dass die Ratsuchenden im Gespräch über die Angebote interessiert gewirkt haben und nur 14 Prozent meinen, sie seien motiviert, sich mit den digitalen Angeboten auseinanderzusetzen. Aber auch 28 Prozent der Pflegeberaterinnen und -berater geben an, dass sie bei Bedarf den Ratsuchenden kaum konkret digitale Angebote nennen könnten.

Wenig verbreitet ist die Beratung nach § 7a SGB XI per Video: Nur 14 Prozent der Beraterinnen und Berater berichten, dass sie grundsätzlich Beratungen per Video anbieten. Jedoch wird dies nur wenig in Anspruch genommen: weniger als ein Prozent der Beratungsgespräche fanden per Video statt. Die rechtlichen Vorgaben für die Pflegeberatung nach § 7a SGB XI greifen die Möglichkeit der Videoberatung seit Ende 2021 auf, so dass sich die Nutzung zukünftig noch erhöhen könnte.

Für die Studie wurden in den Jahren 2021 und 2022 2.744 Versicherte mit Erstantrag auf Pflegeleistungen, 1.168 Pflegebedürftige, die gerade eine Pflegeberatung erhalten haben, 193 Pflegeberaterinnen und -berater, 246 Beratungsstellen sowie 19 Kommunen befragt. Zusätzlich wurden Sekundärdaten der Pflegekassen aus dem Jahr 2020 ausgewertet. Teil der Studie war zudem eine intensive Recherche zu den Angebotsstrukturen und zwei Fallstudien.

Hintergrund:

Pflegeberatung erfolgt vor allem durch kassenindividuelle Pflegeberaterinnen bzw. -berater oder deren Dienstleister sowie in Pflegestützpunkten. Gut drei Prozent der Bezieher von Pflegeleistungen haben sich im Jahr 2020 im Rahmen der Pflegeberatung nach § 7a umfassend beraten lassen, rund 135.700 Pflegebedürftige. 2018 waren es fünf Prozent (etwa 184.300 Pflegebedürftige). Der Rückgang ist vermutlich pandemiebedingt. Eine Beratung durch die Pflegekassen kostet im Durchschnitt rund 870 Euro. Pflegeberaterinnen und -berater führen innerhalb eines Monats im Mittel rund 42 Beratungsgespräche mit etwa 38 unterschiedlichen Personen. Jeder Dritte wird im Rahmen eines Fallmanagements begleitet. Eine Erstberatung dauert durchschnittlich gut zwei Stunden.