Arztsuche für Ahlen: mit Jobsharing-Modellen Nachwuchsärzte gewinnen

Immer mehr Regionen suchen nach Rezepten gegen den Hausärztemangel. Auch die Stadt Ahlen bemüht sich, Nachwuchsärzte zu gewinnen. Bereits seit längerem bleiben dort Hausarztsitze unbesetzt. Ein für die Stadt erstelltes Gutachten des IGES Instituts macht nun Handlungsvorschläge. Eingeflossen ist dabei auch eine Befragung der Ärzteschaft vor Ort.

Titel der Studie: Hausärztliche Versorgung in Ahlen - Erarbeitung einer Bestandsanalyse, Zielabstimmung und Planung von effektiven und effizienten kommunalen Maßnahmen

Hintergrund: Wie viele Regionen Deutschlands leidet auch die Stadt Ahlen an Hausarztmangel. Seit Jahren bleiben Praxissitze unbesetzt. Aufgrund der soziodemographischen und sozioökonomischen Struktur ist der ärztliche Versorgungsbedarf in Ahlen im Vergleich zum landesweiten Durchschnitt erhöht.

Fragestellungen: Mit welchen Konzepten und Maßnahmen können Hausärzte bewegt werden, sich in der Region um die Stadt Ahlen herum niederzulassen?

Methode: Auswertung von Daten der Kassenärztlichen Vereinigung und Statistischer Ämter, Befragung von Hausärzten

Ergebnisse: Trotz eines absehbaren wirtschaftlich erfolgreichen Praxisbetriebes erscheint der Standort Ahlen für Nachwuchsmediziner unattraktiv. Die Trennung von Wohn- und Arbeitsort könnte dies auflösen. Dafür bietet sich vor allem ein ambulant-kooperatives Modell einer Jobsharing-Partnerschaft im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis an. Die Stadt sollte zudem bei der Suche nach einer Praxis- und Wohnimmobilie unterstützen.

Autoren: Dr. Richard Ochmann
    
Auftraggeber: Stadt Ahlen

Schlagwörter: Hausärztliche Versorgung, Versorgungsbedarf, Arztmangel, Niederlassungsförderung, Regionalpolitik

Veröffentlichung: Oktober 2022

Berlin, 12. Juni 2023 (IGES Institut) – So biete der Standort Ahlen aus Sicht der dort praktizierenden Hausärztinnen und Hausärzte zwar sehr gute wirtschaftliche Aussichten mit hohen Patientenzahlen. Dies locke jedoch nicht ausreichend genug, da auf der anderen Seite die Lebensbedingungen in Ahlen vom ärztlichen Nachwuchs oft als nicht attraktiv genug bewertet würden. Das geht aus der Befragung hervor, für die das IGES Institut im Auftrag der Stadt Ahlen Hausärztinnen und Hausärzte interviewt hat.

Trennung von Arbeitsort und Wohnort

Vor diesem Hintergrund empfehlen die Gutachter der Stadt, Nachwuchsärztinnen und -ärzten eine Jobsharing-Partnerschaft im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis anzubieten verbunden mit der Möglichkeit, woanders wohnen zu können. So ließe sich eine finanziell gesicherte Tätigkeit in einer Hausarztpraxis mit einem individuell attraktiv erscheinenden Wohnort kombinieren. Auch die Mehrheit der befragten Hausärztinnen und Hausärzte könnte sich dies grundsätzlich vorstellen.

Eine räumliche Trennung des Wohnorts vom Arbeitsort ist generell zwar unabhängig von der Praxisform. Ambulant-kooperative Versorgungsformen wie eine Gemeinschaftspraxis sind jedoch für Ahlen besonders geeignet, da sich dabei verschiedene Anwesenheits- und Arbeitszeiten anders als in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) leichter organisieren lassen. In der Regel wird dabei ein Vertragsarztsitz auf die Partner aufgeteilt. Die Zulassung ist an die gemeinsame Tätigkeitsausübung gebunden. Auch die bei jungen Ärzten immer häufiger gewünschte Teilzeitarbeit ist leicht möglich.

Unterstützung bei der Suche nach Räumlichkeiten für die Praxis

Die Stadt könnte zum ärztlichen Nachwuchs über geeignete akademische Netzwerke Kontakt aufnehmen. Zudem sollte sie, wenn nötig, Interessenten bei der Suche sowohl eines geeigneten Praxisstandortes als auch einer Immobilie am gewünschten Wohnort unterstützen.

Kommunales Medizinisches Versorgungszentrum erscheint weniger geeignet

Die Kommunen oft empfohlene Gründung eines kommunalen MVZ oder einer kommunalen Eigeneinrichtung sehen die Gutachter eher als „Ultima Ratio“ an. Dies geht mit einem hohen Verwaltungsaufwand mit vielen Unwägbarkeiten einher. Ein hausärztliches MVZ war in Ahlen bereits vor Jahren einmal gescheitert, weil es nicht gelungen war, Ärztinnen und Ärzte längerfristig in Ahlen zu halten. Daher sollten zunächst alle Möglichkeiten des privaten Betriebs von ambulant-kooperativen Versorgungsstrukturen geprüft werden, so die Autoren.

Hintergrund:
Wie viele andere Regionen steht die Stadt Ahlen vor großen Herausforderungen in der hausärztlichen Versorgung durch den demographischen Wandel sowie Arzt- und medizinischen Fachpersonalmangel. Dabei ist der hausärztliche Versorgungsbedarf in Ahlen im Vergleich zum landesweiten Durchschnitt in Nordrhein-Westfalen aufgrund seiner soziodemografischen und sozioökonomischen Struktur sogar noch erhöht. So liegt etwa der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen in Ahlen mit 46 Prozent über dem landesweiten Schnitt von 39 Prozent.
Die Stadt Ahlen ist zudem im Vergleich zu angrenzenden Gemeinden überdurchschnittlich stark von einer älteren Hausärzteschaft betroffen. Jeder zweite Hausarzt der 26 ansässigen Hausärzte ist 60 Jahre und älter und wird bald in den Ruhestand gehen (Stand März 2022). In den vergangenen Jahren wurden bereits mehrere größere Hausarztpraxen wegen Nachfolgermangels geschlossen.