Studie zeigt Stellschrauben für mehr Wachstum der Gesundheitswirtschaft
In der Diskussion um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland haben Experten Erfolgsfaktoren für die industrielle Gesundheitswirtschaft untersucht. Demnach sind die Digitalisierung sowie der Zugang zu Gesundheitsdaten für Forschungszwecke entscheidende Standortfaktoren, um international attraktiv zu sein. Aber auch der Zugang zu Risiko- und Wachstumskapital ist wachstumsentscheidend. Zudem ist eine gute Vernetzung beteiligter Akteure förderlich. In allen Bereichen besteht in Deutschland Nachholbedarf.
Berlin, 28. November 2023 (IGES Institut) - Das zeigt ein internationaler Vergleich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland mit sieben anderen Industrieländern in einer Studie des IGES Instituts in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut Wifor. Die Untersuchung entstand im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und einiger seiner Mitgliedsverbände. Teil der Studie sind zudem Szenarien-Analysen zu den volkswirtschaftlichen Folgen von Wachstumshemmnissen wie dem Fachkräftemangel sowie zu Potenzialen zusätzlicher Wertschöpfung durch Digitalisierung und Innovationsförderung.
Langfristig angelegte Förderprogramme für die Gesundheitswirtschaft im Ausland
Die sieben betrachteten Länder Frankreich, UK, Japan, USA (Massachusetts), Finnland, Singapur und Israel gehen jeweils verschiedene Wege, um ihre Gesundheitswirtschaft zu fördern. Gemein ist ihnen aber, dass sie ihre Gesundheitswirtschaft als Zukunftsbranche anerkennen. Das belegen die vielfältigen, oft langfristig angelegten Förderprogramme und landesspezifischen Strategien. So hat etwa Finnland bereits 2012 einen ressortübergreifenden „Masterplan“ für den Gesundheitssektor verabschiedet. Großbritannien hat 2021 unter Einbindung aller Akteure des Gesundheitssektors eine 10-Jahres-Strategie („Life Sciences Vision“) vorgelegt.
Erleichterungen für klinische Studien
Die meisten der untersuchten Länder haben administrative Erleichterungen und einen leichten Zugang zu Forschungsdaten geschaffen. So hat beispielsweise Frankreich die Fristen von Genehmigungsverfahren für klinische Studien verkürzt oder den Austausch zwischen Sponsoren klinischer Studien und Ethikkommissionen vereinfacht. In England wurde ein „Fast Track“-Verfahren zur Bewertung klinischer Studienvorhaben eingeführt. Seit 2016 können Daten aus dem staatlichem Gesundheitssystem National Health Service (NHS; deutsch: Nationaler Gesundheitsdienst) für Forschungszwecke genutzt werden.
Nutzung von Gesundheitsdaten substanziell verbessern
Die in Deutschland aktuell geplanten Digitalisierungsgesetze, die auch die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung- und Entwicklung fördern sollen, greifen nach Ansicht der Autoren lediglich das auf, was anderswo bereits möglich ist und sogar noch erweitert wird. Damit Deutschland dabei mithalten könne, sollten die neuen Gesetze die Datennutzungsmöglichkeiten substanziell verbessern.
Nachholbedarf besteht der Studie zufolge auch beim Zugang zu Risiko- und Wachstumskapital. Die Autoren verweisen darauf, dass der europäische und auch der deutsche Wagniskapitalmarkt zwar in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist. Doch das gelte überall, so dass die nach wie vor bestehende Finanzierungslücke zwischen Europa und anderen Regionen, insbesondere den USA, weiterbesteht. Positiv zu bewerten ist laut den Autoren die von der Bundesregierung jüngst beschlossene Start-up-Strategie. Sie soll mehr privates und öffentliches Kapital für den Wagniskapital-Standort Deutschland mobilisieren. Von einer erfolgreichen Umsetzung würde auch die industrielle Gesundheitswirtschaft profitieren.
Politik ressortübergreifend zusammenbringen
Die Studie empfiehlt, die verschiedenen Akteure der Gesundheitswirtschaft besser zu vernetzen. So sei der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, im November 2022 initiierte „Roundtable Gesundheitswirtschaft“ im Vergleich zu den Gremien anderer Länder nicht ressortübergreifend organisiert. Zudem fehle ihm ein fest vorgegebener Handlungsrahmen. Wichtig sei es jedoch, bei wichtigen Entscheidungen auch die Perspektiven der Gesundheits- und Forschungspolitik zu berücksichtigen.
Verluste in Milliardenhöhe durch Wachstumshemmnisse für die Gesundheitswirtschaft
Die Ergebnisse der Szenarioanalysen im Rahmen der Studie zeigen, dass der Arbeitskräftemangel in der industriellen Gesundheitswirtschaft aufgrund des demografischen Wandels bis zum Jahr 2030 auf alarmierende 305.000 fehlende Personen ansteigen könnte. Dies könnte zu einem potenziellen Verlust von bis zu 26,6 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung (BWS) führen.
Auch die Folgen fehlender Digitalisierung bei Produktion und Erforschung von Innovationen oder im medizinischen Versorgungsalltag wurden modelliert. Danach könnte eine bessere Digitalisierung unter optimalen Bedingungen das BWS bis 2030 um bis zu acht Milliarden Euro steigern. Das entspräche einem Plus von 39 Prozent im Vergleich zum Ist-Zustand.