ALG II-Bezieher: Gesundheitsausgaben um neun Milliarden Euro höher als Beitragszahlungen
Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Bezieher von Arbeitslosengeld II, inzwischen Bürgergeld, sind weiterhin deutlich höher als die Einnahmen aus Krankenversicherungsbeiträgen für diese Versichertengruppe. Im Jahr 2022 betrug die Lücke 9,2 Milliarden Euro. Somit waren nur 39 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben für diese Versichertengruppe durch Beiträge gedeckt. Die Differenz zwischen Ausgaben und Beitragseinnahmen fiel nur etwas geringer aus als im Jahr 2016 mit 9,6 Milliarden Euro.
Berlin, 24. Mai 2024 (IGES Institut) - Das zeigt die Aktualisierung eines erstmals im Jahr 2017 erschienenen Forschungsgutachtens des IGES Instituts. Sie entstand im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes, das vorausgegangene Gutachten für das Bundesministerium für Gesundheit.
Dreimal so hohe Beitragspauschale aus Bundesmitteln wäre nötig gewesen
Den Berechnungen zufolge wäre im Jahr 2022 eine monatliche Beitragspauschale in Höhe von 311,45 Euro je versicherten Arbeitslosengeld (ALG) II-Bezieher notwendig gewesen, um Kostendeckung für diese Versichertengruppe zu erreichen. Das ist rund dreimal so viel wie die tatsächlich aus Bundesmitteln gezahlten 108,48 Euro. Für diese Berechnungen wurden neben ALG II-Beziehern auch Beschäftigte einbezogen, die ihren Lohn mit ALG II ergänzen - so genannte Aufstocker. Insgesamt gab es im Jahr 2022 3,8 Millionen erwerbsfähige Leistungsbezieher.
Gesamtausgaben der GKV für ALG II-Bezieher in Höhe von 15 Milliarden Euro
Auch bei den Leistungsausgaben hat sich unter dem Strich wenig verändert. So nahmen zwar 15 Prozent weniger ALG II-Bezieher (inklusive ihrer Familienmitglieder) medizinische Leistungen in Anspruch. Auf der anderen Seite stiegen die durchschnittlichen jährlichen Behandlungskosten je Bezieher um 15 Prozent: Sie lagen 2022 durchschnittlich bei rund 2.700 Euro, nach knapp 2.400 Euro im Jahr 2016.
Damit ergaben sich Gesamtausgaben für die medizinische Versorgung von ALG II-Beziehern und ihrer Familienversicherten in Höhe von 15,1 Milliarden Euro im Jahr 2022, wobei auch Verwaltungskosten der Krankenkassen von 875 Millionen Euro einberechnet wurden. Das entspricht 5,3 Prozent der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2022 in Höhe von 286 Milliarden Euro. Demgegenüber standen die Beitragseinnahmen in Höhe von 5,9 Milliarden Euro, woraus sich die Differenz von 9,2 Milliarden Euro ergibt.
Höhere Gesundheitskosten für ALG II-Bezieher
ALG II-Bezieher weisen bis auf die Altersgruppe 60 bis 64 Jahre höhere altersdurchschnittliche Ausgaben für Gesundheitsleistungen auf als der Durchschnitt aller GKV-Versicherten: in der Altersgruppe „18 bis 29 Jahre“ sogar fast 40 Prozent mehr oder bei den 45- bis 49-Jährigen rund 20 Prozent. Vor allem für Krankenhausbehandlungen fallen mehr Kosten an. Bei den 60- bis 64-Jährigen kehrt sich dies allerdings um: Diese Altersgruppe weist rund zehn Prozent geringere Leistungsausgaben auf als der Durchschnitt aller GKV-Versicherten dieses Alters.
Coronapandemie und Ukraine-Geflüchtete beeinflussen Ausgabengeschehen
Zwei Sondereffekte haben die Ein- und Ausgabensituation im Untersuchungsjahr 2022 beeinflusst: So war die Zahl der Krankenhausbehandlungen nach einem kräftigen Einbruch durch die Coronapandemie noch nicht wieder angestiegen. Sie lag 2022 noch 14 Prozent unterhalb des Vorpandemiejahres 2019. Dies bremste auch den Anstieg der stationären Leistungsausgaben für ALG II-Bezieher. Zum anderen haben die Ukraine-Geflüchteten einen Effekt: Im Zeitraum Juni bis Dezember 2022 haben knapp 350.000 von ihnen ALG II bezogen. Mehr als jeder Zweite war jünger als 35 Jahre. Da Jüngere in der Regel weniger Gesundheitskosten aufweisen, dürften sie dazu beigetragen haben, den Pro-Kopf-Ausgabenanstieg für ALG II-Bezieher insgesamt zu bremsen.