Gesundheitswirtschaft in Rheinland-Pfalz: bundesweit Platz eins bei Lifesciences-Patentanmeldungen
Die industrielle Gesundheitswirtschaft in Rheinland-Pfalz hat sich gemessen an zentralen Kennzahlen in vielen Bereichen im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich entwickelt. So legten vor allem die Umsätze der pharmazeutischen Industrie und des Handels mit gesundheitsbezogenen Produkten zu. Rheinland-Pfalz wies im Jahr 2020 zudem in den Bereichen Biotechnologie und Pharmazie die meisten Patentanmeldungen in Relation zur Einwohnerzahl auf. Dennoch stehen die Unternehmen vor neuen Herausforderungen, die nicht nur Rheinland-Pfalz, sondern auch die gesamte Gesundheitsindustrie betreffen.
Berlin, 06. Februar 2024 (IGES Institut) - Das geht aus einem Bericht über die gegenwärtige Situation der industriellen Gesundheitswirtschaft in Rheinland-Pfalz hervor, den ein IGES-Expertenteam im Auftrag des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Wirtschaft mit verfasst hat. Grundlagen waren Analysen öffentlicher statistischer Daten sowie eine Sonderauswertung der Wissenschaftsstatistik. Zudem sind Erkenntnisse aus Experteninterviews eingeflossen.
Im Bundesvergleich hohe Aufwendungen für Forschung und Entwicklung
Auffällig und ein Grund für das Wachstum ist die vergleichsweise hohe Forschungs- und Innovationskraft in Rheinland-Pfalz im Bereich der industriellen Gesundheitswirtschaft. Der Anteil von Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (FuE) auf diesem Gebiet im Vergleich zu den gesamten FuE-Aufwendungen des Bundeslandes war im Jahr 2021 mit gut 14 Prozent mehr als doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt mit 7,1 Prozent. Zudem stiegen die FuE-Aufwendungen im Bereich der industriellen Gesundheitswirtschaft auch überproportional an: im Zeitraum 2013 bis 2021 um 75 Prozent, während es bundesweit 49 Prozent waren, wie IGES ermittelte.
Dies spiegelt sich auch am Arbeitsmarkt wider: So erhöhte sich im Zeitraum von 2013 bis 2021 die Anzahl des FuE-Personals in der industriellen Gesundheitswirtschaft in Rheinland-Pfalz um 41 Prozent, bundesweit waren es 37 Prozent. Zentraler Standort der Branche ist dabei die Stadt Mainz.
Coronapandemie treibt Patentanmeldungen hoch
Rheinland-Pfalz ist zudem das Bundesland mit den meisten Patentanmeldungen in der Lifesciences-Branche in Relation zur Einwohnerzahl: So lag die Anzahl der Patentanmeldungen im Bereich der Biotechnologie im Jahr 2020 mit 13,6 je eine Million Einwohner deutlich über dem Bundesdurchschnitt (7,8). Im Bereich Pharmazie waren es mit 16,6 Patentanmeldungen je eine Million Einwohner bundesweit sogar die meisten. Ein Teil dieser Entwicklungen ist dabei auch auf den Einfluss der Coronapandemie zurückzuführen, in der pharmazeutische Produkte wie etwa die Impfstoffe des Mainzer Unternehmens Biontech einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisteten.
Unterdurchschnittlich entwickelten sich hingegen die Patentanmeldungen im Bereich Medizintechnik in Rheinland-Pfalz: 10,4 Patentanmeldungen je eine Million Einwohner versus 13,9 im bundesweiten Durchschnitt im Jahr 2020.
Administrativer Aufwand für Einführung von Gesundheitsprodukten droht zu wachsen
Mit Blick auf die zukünftigen Entwicklungen für die Branche ist eine der zentralen Herausforderungen der hohe administrative Aufwand bei der Zulassung und Markteinführung von Gesundheitsprodukten. Dies gilt insbesondere für die – zunehmend erforderlichen - (multizentrischen) klinischen Studien. Neue Regularien wie die Medical Device Regulation (MDR) und In-vitro Diagnostic Regulation (IVDR) erhöhen den Mehraufwand noch weiter und könnten die Marktverfügbarkeit von Produkten der industriellen Gesundheitswirtschaft auch in Rheinland-Pfalz zumindest kurz- und mittelfristig gefährden, so die Autoren.
Fachkräftemangel und Datenmangel beeinträchtigen Innovationskraft
Zunehmend globale Produktionsprozesse machen die Branche außerdem anfällig für externe Schocks wie Pandemien und Lieferkettenunterbrechungen. Ferner weisen die im Rahmen der Analysen befragten Experten auf den Fachkräftemangel und den bislang vor allem für die industrielle Forschung begrenzten Datenzugang hin, der die Innovationskraft schwächen kann. Auch die Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten für innovative Projekte und Start-ups werteten sie teilweise als unzureichend oder zu wenig bekannt. Trotz dieser Herausforderungen sehen sie aber auch positive Entwicklungen auf nationaler und europäischer Ebene. Dazu gehören Gesetzesvorhaben wie das Gesundheitsdatennutzungsgesetz und das Medizinforschungsgesetz sowie die Ausweitung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA).
Netzwerkbildung für die Lifesciences-Branche hilfreich
Zwar habe das Land Rheinland-Pfalz nur begrenzte Möglichkeiten, auf die gesetzlichen Entwicklungen auf Bundes- und EU-Ebene einzuwirken, so die Autoren des Berichts, dennoch betonen sie: „Bewährt hat sich die aktive Förderung von Kooperationen und Netzwerken zwischen den Akteuren der industriellen Gesundheitswirtschaft sowie die vorhandenen Veranstaltungsformate, um Chancen und Risiken insbesondere neuer regulatorischer Rahmenbedingungen aus Sicht der Unternehmen zu eruieren und im gegenseitigen Austausch Lösungsmöglichkeiten zu finden. Solche Prozesse der vom Land aktiv gestalteten Netzwerkbildung können auch zukünftig einen wirkungsvollen Beitrag leisten, die Unternehmen der industriellen Gesundheitswirtschaft in Rheinland-Pfalz im Umgang mit neuen Herausforderungen und Chancen zu unterstützen.“
Einen Beitrag, um zusätzliche Wachstums- und Innovationspotenziale zu erschließen, können insbesondere die in Rheinland-Pfalz vorhandenen Netzwerkstrukturen leisten, die seit dem Jahr 2023 durch den Aufbau einer neuen Plattform für Biotechnologie/Life Sciences am TechnologieZentrum Mainz (TZM) ausgebaut werden, heißt es in dem Bericht.
Weitere Kennzahlen der industriellen Gesundheitswirtschaft in Rheinland-Pfalz:
Die Unternehmen der pharmazeutischen Industrie und die Hersteller medizinischer und zahnmedizinischer Apparate und Materialien erwirtschafteten in Rheinland-Pfalz 2022 Erlöse in Höhe von 8,6 Milliarden Euro bzw. sieben Prozent der gesamten Erlöse der in Rheinland-Pfalz ansässigen Industriebetriebe mit 20 und mehr tätigen Personen. Damit ist der Stellenwert der gesundheitsbezogenen Industriezweige in Rheinland-Pfalz überdurchschnittlich – in Deutschland war ihr Anteil an den gesamten Industrieumsätzen nur etwas mehr als halb so groß (3,7 Prozent).