Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg: Beratungsstandorte mehr als verdoppelt
Baden-Württemberg verfügt über ein flächendeckendes und wohnortnahes Angebot an Pflegeberatung in den 44 Pflegestützpunkten der kreisfreien Städte und Landkreise. Eigenen Angaben zufolge sind diese derzeit mehrheitlich personell ausreichend ausgestattet. Einer empirisch fundierten Personalbedarfsberechnung zufolge steigt der Personalbedarf infolge der Alterung der Bevölkerung bis 2028 moderat an, allerdings regional verschieden.
Berlin, 19. Dezember 2024 (IGES Institut) - Das geht aus einer Evaluation des IGES Instituts für die Kommission Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg hervor. Demnach fand seit Inkrafttreten des grundlegend überarbeiteten Landesrahmenvertrages zur Arbeit und Finanzierung der Pflegestützpunkte vom 20.06.2018 in Baden-Württemberg eine im bundesweiten Vergleich sehr dynamische Entwicklung der Strukturen und der Arbeit der Pflegestützpunkte statt.
Grund ist die konkrete Ausgestaltung der Pflegestützpunkte in dem Bundesland: dazu gehören eine in allen 44 Kreisen einheitliche Organisationsform (Kommunen als Anstellungsträger des Personals sowie als Betriebsträger), aber auch die Einrichtung einer Kommission Pflegestützpunkte sowie einer Geschäftsstelle Pflegestützpunkte und einer Arbeitsgruppe Qualitätssicherung. Seit Oktober 2019 hat sich die Zahl der Standorte der Pflegestützpunkte von 52 auf 126 Ende 2023 mehr als verdoppelt.
Durchschnittliche Pflegeberatung dauert 20 Minuten
Knapp jede zehnte Beratung findet in Baden-Württemberg in den eigenen vier Wänden der Ratsuchenden statt. Jeder zehnte Nutzer des Beratungsangebots wünscht sich jedoch mehr Möglichkeiten von Hausbesuchen. Klienten fragen am häufigsten einfache Informationen rund um das Thema Pflege(versicherung) an. Der durchschnittliche Zeitbedarf dafür beträgt rund 20 Minuten. Die zweithäufigste Kategorie sind aufwändigere Beratungen, die gut eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen und oft mit Folgeterminen einhergehen. Etwa jeder dritte Standort verfügt über spezifisch weitergebildetes Personal für besondere Zielgruppen wie etwa Demenzkranke oder pflegebedürftige Kinder und Jugendliche.
In den insgesamt 126 Standorten der Pflegestützpunkte waren im September 2023 rund 278 Pflegeberaterinnen und -berater mit einem Arbeitsvolumen von 185 Vollzeitstellen tätig. Im Landesdurchschnitt stand damit eine Vollzeitstelle für Pflegeberatung pro 57.000 Einwohner zur Verfügung. Die von IGES durchgeführten Analysen der Pflegeberatungsstrukturen in Baden-Württemberg ergeben, dass von einem flächendeckenden Angebot gesprochen werden kann.
Jeder zweite Beschäftigte in den Pflegestützpunkten erwartet Personalmangel
Fast jeder zweite Vorgesetzte der Pflegestützpunkte bewertete die eigene Personalausstattung als überwiegend ausreichend, erwartet aber künftig einen wachsenden Personalbedarf. Rund ein Drittel gab an, bereits zum Erhebungszeitpunkt über zu wenig Personal zu verfügen. Bei den Beschäftigten war jeder Fünfte dieser Ansicht. Die Hälfte von ihnen erwartet zudem, künftig infolge Personalmangels nicht alle Beratungsanfragen bedienen zu können. Ihre Arbeitsbelastung nahmen die Beschäftigen als mittel bis sehr hoch wahr. Dies haben Befragungen für die Untersuchung ergeben.
IGES Institut entwickelt Personalbedarfsmodell für Pflegestützpunkte
Zur quantitativen Abschätzung des (regional variierenden) Beratungsbedarfs entwickelten die IGES-Experten auf Basis von im Projekt erhobenen Daten zum Beratungsgeschehen ein Personalbedarfsmodell. Mit diesem berechneten sie zunächst für jeden der 44 Pflegestützpunkte einen aktuellen Personalbedarf, indem sie regionale Besonderheiten wie Anzahl und Dauer von Beratungen, Altersgruppen der Klienten oder Anzahl von Hausbesuchen und Wegezeiten berücksichtigten.
Auf Basis dieser Grundlagen ergibt sich, dass der Personalbedarf in den Pflegestützpunkten in ganz Baden-Württemberg 2023 real um fast 11 Vollzeitstellen höher wäre und sich im Mittel auf 196 Vollzeitstellen belaufen würde. Bis zum Jahr 2028 würde er auf 201 Vollzeitstellen wachsen. Denn Berechnungen des statistischen Landesamtes zufolge steigt die Zahl der Pflegebedürftigen mit potenziellem Beratungsbedarf in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2035 auf 625.000 Personen an. 2021 waren es 540.000.
Für den künftigen Personalbedarf in den Pflegestützpunkten weitere Parameter berücksichtigen
Die IGES-Pflegeexperten raten, bei der Ermittlung der künftigen regionalen Soll-Besetzung über die Bevölkerungszahl eines Kreises hinaus weitere Parameter einfließen zu lassen und in Stadt- und Landkreisen mit aktuellem Mehrbedarf Personal aufzustocken. Zudem sollte die Netzwerkarbeit der Pflegestützpunkte mehr in den Fokus gerückt werden.
So sollen Pflegestützpunkte auch über Pflegeangebote informieren. Da Pflegeangebote aufgrund des demographischen Wandels und des Personalmangels immer schwerer zu finden sein werden, ist es wichtig, dass Pflegestützpunkte darüber gut informiert und vernetzt sind. Vor allem in Pflegestützpunkten mit hohem Beratungsaufkommen könnte überlegt werden, für diese Netzwerkarbeit eine spezielle, koordinierende Stelle zu schaffen.
So sollen Pflegestützpunkte auch über Pflegeangebote informieren. Da Pflegeangebote aufgrund des demographischen Wandels und des Personalmangels immer schwerer zu finden sein werden, ist es wichtig, dass Pflegestützpunkte darüber gut informiert und vernetzt sind. Vor allem in Pflegestützpunkten mit hohem Beratungsaufkommen könnte überlegt werden, für diese Netzwerkarbeit eine spezielle, koordinierende Stelle zu schaffen.
Pflegestützpunkte immer noch zu unbekannt
Ein wichtiges Thema bleibt die Erhöhung des Bekanntheitsgrades von Pflegestützpunkten in der Bevölkerung. Ein Drittel der Beschäftigten geht von einer eher geringen Bekanntheit aus, was sich auch mit bundesweiten Erhebungen deckt. Manchmal fehlt es schlichtweg an Hinweisschildern vor dem Gebäude, in dem sich die Beratungsstelle befindet. Pflegestützpunkte würden zum Teil irrtümlicherweise mit Pflegedienstleistungen verwechselt.
Videoberatung für Pflegestützpunkte ausbauen
Die Pflegestützpunkte sollten zudem künftig auch an die Telematikinfrastruktur des Gesundheitswesens angeschlossen werden, heißt es in der Evaluation. Dies erleichtert den digitalen Informationsaustausch mit Kranken- und Pflegekassen und den Leistungserbringern. In Baden-Württemberg sollte auch die Infrastruktur für Videoberatung ausgebaut werden. Im Jahr 2023 verfügte nur ein Pflegestützpunkt über ein Online-Beratungstool.