IGES-Projektion: Sozialabgaben könnten auf fast 50 Prozent oder mehr steigen

Die 40-Prozent-Marke bei den Sozialabgaben rückt zunehmend in weite Ferne. Einer IGES-Projektion zufolge droht eine Abgabelast der Sozialversicherung bis 2035 von 49 Prozent oder höher. Mit kurzfristig realisierbaren Gegenmaßnahmen könnte jedoch gegengesteuert werden. So könnte eine stärkere Steuerfinanzierung zusammen mit einer einnahmeorientierten Ausgabenkontrolle den Beitragsanstieg in der gesetzlichen Krankenversicherung stoppen und in der Sozialversicherung insgesamt zumindest teilweise abdämpfen.

Berlin, 21 Januar 2025 (IGES Institut) - Die IGES-Projektion entstand im Auftrag der DAK-Gesundheit und aktualisiert eine vorausgegangene, ebenfalls für die DAK-Gesundheit entstandene Projektion aus dem Jahr 2024. Es handelt sich dabei um szenarienbasierte Berechnungen zur Beitragssatzentwicklung für alle Zweige der Sozialversicherung, also gesetzliche Renten-, Kranken-. Pflege- und Arbeitslosenversicherung, bis zum Jahr 2035.

Projiziert wurde die Beitragssatzentwicklung für drei Szenarien mit unterschiedlicher Entwicklung der beitragssatzrelevanten Einflussfaktoren wie etwa der Lohnentwicklung. Ein Basisszenario spiegelt eine mittlere Ausprägung dieser Effekte wider. Auch die Folgen der geplanten, aber bisher nicht umgesetzten Rentenreform wurden berücksichtigt.

IGES-Projektion der Beitragssätze der Zweige der Gesetzlichen Sozialversicherung sowie des Gesamtbeitrages der Sozialversicherung bis zum Jahr 2035 in einem Basisszenario (mittlere Entwicklung beitragsrelevanter Einflussfaktoren wie z.B. Einkommensentwicklung).
Gesetzlicher Versicherungszweig202620292035
Krankenversicherung
mit Finanzierungsmaßnahmen*
18%
17,5%
18,5%
17,5%
20%
17,5%
Pflegeversicherung4,0%4,4%4,5%
Rentenversicherung18,6%20,0%21,2%
Arbeitslosenversicherung2,6%2,7%3,1%
Sozialversicherung gesamt
mit Finanzierungsmaßnahmen*
43,2%
42,7%
45,7%
44,5%
48,8%
46,3%

Quelle: IGES auf Basis div. Quellen (s. Kurzbericht "Beitragsentwicklung in der Sozialversicherung (IGES Institut 2025) ); Berechnungen im Auftrag der DAK-Gesundheit. * Wegfall der Beitragsfinanzierung des Krankenhaustransformationsfonds, höherer Bundeszuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), einnahmeorientierte Ausgabenpolitik in der GKV

Sozialabgabelast 2025 bereits bei 42,5 Prozent

Seit Beginn des Jahres 2025 liegt die gesamte Sozialabgabelast der beitragspflichtigen Einnahmen bei mittlerweile 42,5 Prozent. Dazu hat vor allem die deutliche Anhebung des Zusatzbeitrages in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zum Jahreswechsel 2025 auf durchschnittlich 2,9 Prozent beigetragen. Damit beträgt der gesamte GKV-Beitragssatz zum Jahresbeginn 2025 durchschnittlich 17,5 Prozent.

GKV-Beiträge steigen durch Krankenhaus-Transformationsfonds

Doch bereits 2026 droht in der GKV ein weiterer Anstieg, unter anderem, weil die erste Zahlung an den Krankenhaus-Transformationsfonds in Höhe von 2,5 Milliarden Euro fällig wird. Der IGES-Projektion nach steigen die Kassenbeiträge um weitere 0,5 Prozentpunkte auf 18 Prozent.

GKV-Beitragssatz bis zu 22,6 Prozent möglich

In den Folgejahren driften Einnahmen und Ausgaben immer weiter auseinander, sodass der GKV-Beitragssatz 2035 im Basisszenario bei 20,0 Prozent ankommen würde, um ausgabendeckend zu sein. In einem ungünstigen Szenario könnten es sogar 22,6 Prozent werden.

Drei Finanzierungsmaßnahmen für die GKV berechnet

Zeitnah eingeführte Finanzierungsmaßnahmen könnten jedoch den GKV-Beitragssatz stabilisieren. Auf Vorschlag der DAK-Gesundheit wurden dafür ein Aus der GKV-Mittel für den Krankenhaus-Transformationsfonds, ein höherer Bundeszuschuss an die Krankenkassen in Höhe von rund sieben Milliarden Euro sowie ab 2027 der Start einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik, bei der die GKV-Ausgaben nur entsprechend der Einnahmen wachsen, unterstellt. Dann könnte der Kassenbeitrag bis 2035 bei 17,5 Prozent gehalten werden.

Bezogen auf alle Zweige der Sozialversicherung könnte mit einer solchen Stabilisierung der GKV-Finanzen im Basisszenario ein Gesamtbeitrag in Höhe von 46,3 Prozent im Jahr 2035 erreicht werden. Ohne weitere Stabilisierungsmaßnahmen wären es nach der IGES-Projektion 48,8 Prozent. Ein Zurück zur 40-Prozent-Marke, bekannt als „Sozialgarantie 2021“, bleibt somit in weiter Ferne.

Starker Einfluss des Rentenpakets II

Einen starken Einfluss hätte auch die Umsetzung des Rentenpakets II, das das Rentenniveau bei 48 Prozent halten soll. Die Folge wäre ein steiler Beitragsanstieg auf fast 50 Prozent (49,7 Prozent) bis zum Jahr 2035.

Jährliches Plus der Pflegekosten von 3,4 Prozent

Die steigende Zahl Pflegebedürftiger und wachsende Pflegekosten werden in den kommenden Jahren weiter finanziellen Druck ausüben. Im Basisszenario gehen die IGES-Experten von einem jährlichen Plus bei den Pflegekosten von 3,4 Prozent aus.

Zum Jahreswechsel 2025 hatte die scheidende Bundesregierung den Beitragssatz in der Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte angehoben, was zu einem durchschnittlichen Beitragssatz (gewichtet hinsichtlich Kinderzahl) von 3,8 Prozent führte.

Die IGES-Projektion zeigt, dass dies für 2025 jedoch nicht ausgabendeckend sein wird und rechnerisch je nach Szenario ein Defizit zwischen drei und knapp fünf Milliarden Euro entsteht. Infolgedessen könnte der Beitragssatz 2026 erneut um etwa 0,2 Prozentpunkte auf 4,0 Prozent an. 2029, am Ende der Legislaturperiode nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2025, liegt der ausgabendeckende Beitragssatz der Pflegeversicherung im Basisszenario bei 4,4 Prozent.

Auszahlung aus dem Pflegevorsorgefonds stabilisieren Beiträge

Ab dem Jahr 2035 können Auszahlungen aus dem Pflegevorsorgefonds zur Beitragsstabilisierung eingesetzt werden, wodurch der Beitragssatz in allen Szenarien bei 4,5 Prozent gehalten werden kann. Der Beitragssatzanstieg in der Pflegeversicherung bis 2035 ist zu zwei Dritteln auf die demografische Entwicklung zurückzuführen.

Anstiege auch in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung

In der Arbeitslosenversicherung kann der Beitragssatz der IGES-Projektion zufolge 2026 zunächst bei 2,6 Prozent bleiben, steigt anschließend bis 2029 auf 2,7 Prozent und bis 2035 auf 3,1 Prozent.

In der Rentenversicherung kann der Beitragssatz im Basisszenario bis zum Jahr 2027 konstant gehalten werden. Es folgt dann ein kräftiger Anstieg, was im Jahr 2035 der IGES-Projektion zufolge bei 21,2 Prozent endet. Eine noch stärkere Beitragssatzsteigerung ergibt sich, wenn das Rentenpaket II umgesetzt wird. Dann würde der Beitragssatz 2035 bei 22,1 Prozent liegen, knapp ein Prozentpunkt höher als ohne Umsetzung.