AMNOG-Analyse: Ausmaß des Zusatznutzens immer seltener genau bestimmbar

Immer mehr AMNOG-Verfahren enden ohne einen quantifizierbaren Zusatznutzen. Waren es zwischen 2011 und 2017 noch 41 Prozent der Arzneimittel, bei denen das Ausmaß des Zusatznutzens bestimmbar war, gelang dies ab 2018 nur noch bei knapp 29 Prozent. Das ist ein Rückgang von 30 Prozent. Grund ist ein erheblicher struktureller Wandel bei neuen Arzneimitteln, die mit der AMNOG-Methodik kaum zu bewerten sind. Experten sehen daher einen Bedarf, die Nutzenbewertung weiterzuentwickeln.

Berlin, 11. Februar 2025 (IGES Institut) - Darauf wies Dr. Ariane Höer, Bereichsleiterin Arzneimittelmarkt am IGES Institut, auf dem Kongress des Bundesverbandes Managed Care (BMC) 2025 hin. Die Veranstaltung beschäftigte sich unter anderem mit zukünftigen Entwicklungen der Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG).

Grafik Winterzeit beliebteste Zeugungszeit

Arzneimittel für immer kleinere Patientengruppen

„In den vergangenen Jahren gab es eine Verschiebung hin zu Produkten, für die eine typische Evidenzgenerierung durch randomisierte, kontrollierte Studien, kurz RCTs, nicht mehr so einfach möglich ist, weil sie etwa auf immer kleinere Patientengruppen zielen.“ So habe der Anteil von Orphan Drugs gegen seltene Erkrankungen mit kleinen Patientenzahlen im Vergleich zur ersten Hälfte der AMNOG-Jahre um 62 Prozent zugenommen. Laut Dr. Höer waren 36 Prozent aller nutzenbewerteten Produkte im Zeitraum 2018 bis 2024 Orphan Drugs, zwischen 2011 nach AMNOG-Start und 2017 lag der Anteil noch bei rund 22 Prozent. Die Zahlen gehen auf Auswertungen des IGES ARA – AMNOG Resolution Analyzer zurück, eines webbasierten Analysetools für AMNOG-Verfahren.

Neue Techniken der Arzneimittelentwicklung

Der Zustrom von Neuentwicklungen für immer kleinere Patientenpopulationen werde künftig weiter zunehmen, prognostizierte die Arzneimittelmarkt-Expertin. Möglich werde dies durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), computergestützte und virtuelle Methoden, so genannte in silico-Methoden, aber auch genetischer Techniken wie der Genschere CRISPR-Cas9 bei der Arzneimittelentwicklung.

Das AMNOG sei 2011 beschlossen worden, um die „Spreu vom Weizen“ bei neuen Arzneimitteln zu trennen, so die Medizinerin Höer. Hintergrund sei damals unter anderem die Debatte um Nachahmerpräparate, auch Me-Too-Präparate genannt, gewesen. Heutzutage kämen jedoch eine Fülle neuer, tatsächlich innovativer Medikamente auf den Markt, die neue Behandlungsoptionen darstellten. Zugleich seien Datenaufwand und Anforderungen an die Erstellung von Nutzendossiers stark gestiegen.

Nutzenbewertung neuer Wirkstoffe weiterentwickeln

„Deutschland steht nun vor der Herausforderung, die Nutzenbewertung neuer Wirkstoffe weiterzuentwickeln und dabei auch die vorgeschaltete Bewertung auf EU-Ebene, EU-HTA, angemessen zu berücksichtigen“, erläuterte Höer. Dazu gehöre auch die Frage, was das vorrangige Ziel der Nutzenbewertung sei – die Generierung von vergleichender Evidenz oder der Aspekt der Preisbildung im Verhandlungsverfahren.

Deutschland das Land mit den meisten Orphan Drugs

Dr. Höer hob die sehr gute Versorgung mit neuen Arzneimitteln in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern hervor: „Deutschland weist die höchste Zahl von Neueinführungen und die mit Abstand höchste Zahl von Orphan Drugs in Europa auf. 90 Prozent aller Zulassungen der europäischen Arzneimittelbehörde EMA gelangen nach Deutschland.“ Mit nur durchschnittlich sechs Wochen nach Zulassung hätten neue Arzneimittel zudem den schnellsten Eintritt in die Patientenversorgung.