Orphans im AMNOG-Verfahren: Studien nach Überschreitung der Umsatzschwelle häufig ungeeignet
Bei Orphan Drugs fehlen häufig AMNOG-geeignete Studien für das Bewertungsverfahren nach Überschreiten der Umsatzschwelle. Das geht aus Analysen des IGES Instituts hervor, die auf der europäischen Konferenz der "International Society for Pharmacoeconomics and Outcomes Research" (ISPOR) 2024 in Barcelona vorgestellt wurden.
Berlin, 07. Januar 2025 (IGES Institut) - Orphan Drugs haben in Deutschland eine Sonderstellung bei der frühen Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordungsgesetz (AMNOG). Dabei gilt der Zusatznutzen gesetzlich als anerkannt, und eine zweckmäßige Vergleichstherapie (zVT) wird nicht definiert. Nach Überschreiten einer Umsatzschwelle von 30 Millionen Euro (bis November 2022: 50 Millionen Euro) gilt der Zusatznutzen jedoch nicht mehr automatisch als belegt. Es erfolgt eine erneute Nutzenbewertung im Vergleich zur zVT.
Daten aus dem IGES ARA – AMNOG Resolution Analyzer einbezogen
Die Studie untersucht, inwieweit und aus welchen Gründen es bei einer erneuten Nutzenbewertung aufgrund der Überschreitung der Umsatzschwelle zu veränderten Bewertungsergebnissen kommt. Sie setzt eine vorausgegangene Untersuchung aus dem Jahr 2023 fort (ISPOR Abstract HTA29). Basis waren unter anderem Daten aus dem IGES ARA – AMNOG Resolution Analyzer, einer webbasierte Analyseplattform für AMNOG-Verfahren.
Ausgewertet wurden Verfahren mit insgesamt 52 Patientenpopulationen (Stand Mai 2024). In fünf Subpopulationen wurde der Zusatznutzen aufgrund neuer Nachweise im regulären Verfahren erhöht oder erstmals quantifiziert. In zwei Subpopulationen war der Zusatznutzen nicht mehr quantifizierbar. In 13 Subpopulationen blieb der Zusatznutzen gleich, trotz der Vorlage neuer Nachweise. In 11 Fällen genügten die bereits im initialen Verfahren vorgelegten Nachweise, um den Zusatznutzen weiterhin zu belegen. In 32 Subpopulationen verringerte sich das Ausmaß des Zusatznutzens.
Anteil mit beträchtlichem Zusatznutzen im AMNOG-Verfahren erhöht sich
Zusammengefasst zeigt die Analyse, dass im initialen Orphan-Verfahren für etwa 54 Prozent der Patientenpopulationen ein nicht-quantifizierbarer Zusatznutzen und für knapp 36 Prozent ein geringer Zusatznutzen festgestellt wurde. Im regulären Verfahren nach Überschreiten der Umsatzschwelle änderte sich dies: Dann wurde für 66 Prozent der Patienten kein Zusatznutzen zugeschrieben und für knapp 31 Prozent jedoch ein beträchtlicher.
Probleme mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie im AMNOG-Verfahren
Die Analyse macht die Herausforderungen bei der Studienlage für das reguläre Verfahren deutlich: Das häufigste Hindernis bei der erneuten Bewertung war ein Mangel an AMNOG-fähigen Studien. Die in den meisten Fällen verfügbaren RCTs Randomized controlled Trials (randomisierte kontrollierte Studien) waren oft nicht geeignet, weil die zVT nicht adäquat umgesetzt wurde.
Eine weitere Studie untersucht die Ergebnisse der Nutzenbewertung, wenn es zu einer Zulassungserweiterung kommt, und vergleicht diese mit dem Bewertungsverfahren bei der Markteinführung. Dafür werteten die IGES-Experten Verfahren mit 507 Subpopulationen aus (Stand Dezember 2023). Hintergrund der Studie ist die Diskussion, dass Zulassungserweiterungen einen geringeren therapeutischen Nutzen hätten.
Ähnliche Bewertungsergebnisse bei neuem Indikationsgebiet
Die Auswertung widerlegt diese Annahme. Sie zeigt, dass die Anteile der verschiedenen Bewertungskategorien für die Erstindikation und das später ergänzte Indikationsgebiet ähnlich sind. Wurde etwa im Erstverfahren für 64 Prozent der Patientenpopulationen kein Zusatznutzen zugewiesen, waren dies bei der Zulassungserweiterung 60 Prozent. Bei einem geringen Zusatznutzen betraf dies im Erstverfahren 11 Prozent und bei der Zulassungserweiterung ähnlich hoch 13 Prozent der Patientenpopulationen.
Bei den Verfahren zur Zulassungserweiterung war die häufigste Ursache für den fehlenden Nachweis eines Zusatznutzens, dass die vorgelegten Studien für das AMNOG-Verfahren ungeeignet waren. Dies betraf 174 der 323 Teilpopulationen ohne attestierten Zusatznutzen.
Die ISPOR ist die weltweit führende Organisation für „Health economics and outcomes research (HEOR)“. Die ISPOR-Europe 2024 fand vom 17. bis 20. November in Barcelona statt. Die IGES Gruppe trägt seit Jahren zum wissenschaftlichen Programm der Fachveranstaltung bei.