Analyse: regionale Unterschiede beim Arzneimittelverbrauch und Ausgaben
Die regionalisierte Betrachtung von Arzneimittelausgaben spielt in der Gesundheitspolitik eine wichtige Rolle, weil zahlreiche Instrumente zur Kontrolle der Ausgaben auf regionaler Ebene eingesetzt werden. Verschiedene Faktoren beeinflussen die regionalen Pro-Kopf-Arzneimittelumsätze. Das Verordnungsverhalten der Ärzte ist dabei nur einer von vielen Faktoren.
Bei den Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bestehen innerhalb Deutschlands deutliche regionale Unterschiede. Die Ursachen dieser Unterschiede werden jedoch nur selten beleuchtet, häufig wird ein unwirtschaftliches Verordnungsverhalten niedergelassener Ärzte in einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) aufgeführt.
Ausgaben der GKV für Arzneimittel in den KVen
Mit dem Arzneimittel-Atlas 2006 analysierten Häussler et a. erstmalig die bundesweiten GKV-Arzneimittelausgaben. Die im Anschluss durchgeführten regionalen Arzneimittelauswertungen berücksichtigen Verordngungen bis September 2006 und sind auf das ganze Jahr hochgerechnet. Die Daten werden mit regionalen Informationen verknüpft, beispielsweise dem Body-Mass-Index, der seit kurzem auf Länderebene zur Verfügung steht.
Untersucht wurden neben den Arzneimittelumsätzen pro Versichertem nach KV weiter die Pro-Kopf-Umsätze in verschiedenen Versorgungssegmenten (nach KV-Regionen), Komponenten zur Umsatzentwicklung nach Versorgungssegmenten sowie die Abweichung der beobachteten von den adjustierten Pro-Kopf-Umsätzen, differenziert nach Grund- und Spezialversorgung (2005). Darüber hinaus erfolgte eine Hochrechnung der jeweils 10 umsatzstärksten ATC-Gruppen (7-Steller) in den einzelnen Versorgungssektoren für 2006.
Diskussion
Adipositas ist ein entscheidender und dabei beeinflussbarer Faktor für die Höhe der Arzneimittelausgaben und anderer Gesundheitsausgaben. Die Altersstruktur der Versicherten in einer KV-Region ist dagegen nicht leicht beeinflussbar. Sie wird in starkem Maße von der Binnenwanderung von Arbeitskräften in Deutschland bestimmt. KV-Regionen, die eine starke Abwanderung von GKV-Versicherten im Alter von 20 bis 50 Jahren erfahren haben, zeichnen sich auch durch einen höheren Anteil an älteren Versicherten über 55 Jahren aus. Darüber hinaus stehen Binnenwanderung und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von KV-Regionen in einem engen Zusammenhang. Daraus ergibt sich, dass wirtschaftlich eher schwache KV-Regionen einen überdurchschnittlich hohen Anteil älterer Versicherter haben. Zur Zeit profitieren Bayern und Baden-Württemberg am meisten von der Binnenwanderung.
Werden die Arzneimittelausgaben der Länder unabhängig von Morbidität, Demografie und Versorgungsstruktur betrachtet, ergibt sich ein homogeneres Bild. Sie sind also stark von diesen Faktoren abhängig und nur in verhältnismäßig geringen Maße von Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Verschreibungen.
Für Deutschland ist zu hoffen, dass weiterhin kleinräumige Analysen der GKV-Arzneimittel-Daten möglich bleiben. Eine weitere Einschränkung des § 305a SGB V würde auf lange Sicht wieder zu einem Datenmonopol der Krankenkassen führen.
Häussler B, Hempel E, Albrecht M, Klein S (2007); Regionale Unterschiede in Arzneimittelverbrauch und -kosten; In: Gesundheits- und Sozialpolitik, 61. Jahrgang, Heft 3/4,S. 12-17; ISSN print: 1611-5821
ISSN online: 1611-5821
Nomos, Baden-Baden, 2007
DOI:
https://doi.org/10.5771/1611-5821-2007-3-4