Studie zu Doping am Arbeitplatz: ein Prozent der Beschäftigten dopt regelmäßig
Der diesjährige vom IGES erstellte DAK-Gesundheitsreport befasst sich mit der Thematik des Dopings am Arbeitsplatz. Die Gruppe der unter psychischen Erkrankungen leidenden Beschäftigten steigt. Inwiefern die unter den psychischen Belastungen der Arbeitswelt leidenden Versicherte zu aufputschenden, konzentrationssteigernden oder beruhigenden Arzneien greifen, ist Gegenstand der Studie.
Berlin, 12. Februar 2009 (IGES Institut) - Zunächst die gute Nachricht: Der Krankenstand in Deutschland hält sich weiterhin auf einem geringen Niveau: 3,3 Prozent betrugen die Fehltage im vergangenen Jahr (2007: 3,2 Prozent). Im Schnitt war jeder Beschäftigte, der bei der DAK versichert ist, 11,9 Tage krank. Doch welche Krankheiten stecken hinter den Zahlen? Neben Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, der Atmungsorgane und Verletzungen fehlen mehr und mehr Menschen wegen psychischer Erkrankungen im Job. Sie machen bereits die viertgrößte Gruppe der Krankschreibungen (10,6 Prozent) aus.
Studienschwerpunkt Doping
Greifen Beschäftigte aufgrund der erhöhten psychischen Belastungen in der Arbeitswelt zu aufputschenden, konzentrationssteigernden oder beruhigenden Arzneien? Das im Sport heftig diskutierte Thema Doping hat die DAK mit Hilfe von IGES jetzt auch für die Arbeitswelt untersucht. Experten aus Wissenschaft und Praxis wurden um Einschätzungen über Hintergründe gebeten, gut 3.000 Arbeitnehmer im Alter von 20 bis 50 Jahren nahmen an einer repräsentativen Befragung teil. Ergebnis: Rund 44 Prozent der Befragten wissen, dass Medikamente gegen alters- und krankheitsbedingte Gedächtnisstörungen oder Depressionen auch bei Gesunden wirken können.
Fünf Prozent der Befragten haben Dopingerfahrung
Und 20,3 Prozent meinen, dass die Risiken dieser Arzneimittel im Vergleich zum Nutzen vertretbar sind. Nahezu genau so viele (18,5 Prozent) kennen mindestens eine Person, die leistungssteigernde oder stimmungsaufhellende Medikamente ohne medizinische Erfordernis eingenommen hat. Deutlich weniger, nämlich fünf Prozent bestätigt, als Gesunder schon einmal mit derartigen Medikamenten nachgeholfen zu haben. Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen sind dies immerhin gut zwei Millionen Menschen in Deutschland.
Gut ein Prozent dopt regelmäßig
Die weitere Analyse ergab, dass gut ein Prozent der Befragten diese Medikamente täglich bis mehrmals im Monat ohne medizinische Erfordernisse einnimmt. Fast genauso viele dopen planvoll, je nach persönlicher Wirkung und individueller Verfassung. Etwa 20 Prozent nennen als Bezugsquelle Kollegen, Freunde und die Familie und mehr als jeder Zehnte (11,1 Prozent) den Versandhandel.
Männer neigen dabei eher zu aufputschenden und konzentrationsfördernden Präparaten, Frauen bevorzugen beruhigende Mittel gegen depressive Verstimmungen oder Ängste.
Medikamenten-Doping ist ein Thema am Arbeitsplatz: 21,4 Prozent wurden bereits leistungssteigernde und stimmungsaufhellende Medikamente ohne medizinische Notwendigkeit empfohlen. Insbesondere Kollegen, Freunde und Familie sind hier beteiligt. Bemerkenswert: bei mehr als jedem Vierten (28,3 Prozent) wurde diese Empfehlung von einem Arzt ausgesprochen.
Der DAK-Gesundheitsreport 2009 hat die Arzneimitteldaten von Antidepressiva, Mitteln gegen Demenz und ADHS sowie Betablockern analysiert und untersucht, inwieweit diese Mittel abweichend von ihrer Zulassung verordnet werden. Dabei wurden Verordnungs- und Diagnosedaten der Leistungsbereiche ambulante ärztliche Versorgung, stationäre Versorgung und Arbeitsunfähigkeit miteinander abgeglichen. Die Ergebnisse dieser Analyse geben indirekte Hinweise auf eine mögliche Fehl- und Überversorgung oder Medikamentenmissbrauch. Nach diesen Daten kann nicht ausgeschlossen werden, dass Beschäftigte Medikamente auf eigenen Wunsch erhielten, um mehr zu leisten oder stressresistenter zu werden.
Wer viel Stress hat, akzeptiert Doping eher
Die Studie ergab, dass gut jeder Vierte (26 Prozent) die Einnahme von Medikamenten ohne medizinisches Erfordernis für vertretbar hält, um die geistige Leistungsfähigkeit im Beruf zu steigern. Knapp 20 Prozent der Befragten akzeptieren Stimmungsaufheller, um beruflichen Stress und Konflikte am Arbeitsplatz besser auszuhalten. Auffällig ist: Beschäftigte mit hohem Stresspotenzial, einem unsicheren Arbeitsplatz oder starker Konkurrenz halten Doping am Arbeitsplatz für vertretbarer als Arbeitnehmer, die weniger unter Leistungsdruck stehen. Auch aus Sicht der Experten begünstigen Faktoren in der heutigen Arbeitswelt das Doping.
Analyse der Krankheitsdaten
Die prominenteste Rolle im Krankheitsgeschehen spielen Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems. Auf sie entfallen mehr als ein Fünftel (21,7 Prozent) aller Krankheitstage. An zweiter Stelle stehen die Erkrankungen des Atmungssystems mit einem Anteil von 16,7 Prozent am Krankenstand. An dritter Stelle der wichtigsten Krankheitsarten stehen mit 14,1 Prozent die Verletzungen.
Woran erkranken Beschäftigte?
Psychische Erkrankungen sind die viertgrößte Krankheitsart. 10,6 Prozent des Krankenstandes gehen auf psychische Erkrankungen zurück. Die Fehltage sind nach einem Stillstand in 2006 in den beiden Folgejahren wieder gestiegen. An fünfter und sechster Stelle stehen Erkrankungen des Verdauungssystems und des Kreislaufsystems mit Anteilen von 7,3 und 4,6 Prozent am Krankenstand.
Branchenergebnisse
Die Branchen mit den niedrigsten Krankenständen waren 2008 die Rechtsberatung/Wirtschaftsprüfung und die Datenverarbeitung mit 2,2 sowie 2,1 Prozent. Unter dem Durchschnitt lagen auch die Krankenstände bei Banken und Versicherungen mit 2,6 Prozent, Bildung/Kultur/Medien mit 2,7 Prozent sowie im Handel und im Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau mit jeweils 3,0 Prozent.
Den höchsten Krankenstand weist erneut das Gesundheitswesen mit 3,7 Prozent auf. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass die Belastungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen unverändert hoch sind. An zweiter Stelle folgt die Öffentliche Verwaltung mit 3,6 Prozent und an dritter Stelle Verkehr und Nachrichtenübermittlung mit 3,4 Prozent.
Unterschiede zwischen den Bundesländern
Auch 2008 bestanden Unterschiede zwischen den Bundesländern: In den westlichen Bundesländern (mit Berlin) beträgt der Krankenstand durchschnittlich 3,1 Prozent (2007: 3,0 Prozent), in den östlichen Bundesländern 3,9 Prozent (2007: 3,7 Prozent).