Konzepte zur Mobilitäts- und Erreichbarkeitssicherung im ländlichen Raum
Um in Zeiten des demografischen Wandels die Mobilität und Nahversorgung im ländlichen Raum zu sichern, bedarf es einer Vielzahl neuer und lokal angepasster Konzepte. Das zeigt eine Studie des IGES Instituts im Auftrag des ADAC.
Berlin, 10. Mai 2016 (IGES Institut) - In der Studie „Mobilität sichert Entwicklung. Herausforderungen für den ländlichen Raum“ zeigen IGES-Experten, welche Möglichkeiten Mobilität zur Stärkung der Erreichbarkeit und Nahversorgung in strukturschwachen ländlichen Regionen bieten kann. Die Studienautoren leiten daraus zudem Handlungsempfehlungen zur erfolgreichen Umsetzung der vielfältigen Lösungsansätze ab.
Eine Lösungsstrategie für ländliche Räume sollte einen Mix aus stationären und mobilen Versorgungskonzepten gleichzeitig aufgreifen. Ein Erfolgsfaktor besteht darin, Lösungen gemeinsam mit den Bürgern und allen relevanten Akteuren zu finden. Unterstützend sind jedoch nach wie vor eine Reihe von gesetzlichen Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln, um neue mobile Versorgungskonzepte wie etwa die „Rollende Arztpraxis“ überhaupt erst wirksam werden zu lassen.
Mobile und kleinräumige Versorgungslösungen immer wichtiger
Lösungen für die Sicherung der Nahversorgung im ländlichen Raum reichen von privatwirtschaftlichen Ansätzen wie beispielsweise kleinflächigen Lebensmittelmärkten großer etablierter Handelsunternehmen im Franchise-Prinzip bis hin zu bewohnergetragenen oder genossenschaftlichen Konzepten, die von ehrenamtlichen Personalen betrieben werden. Hierzu gehören zum Beispiel Nachbarschaftsläden oder Modelle wie der Markttreff.
Beim Thema Nahversorgung setzen bereits heute einige ländliche Gemeinden auf sogenannte Mehrfunktionshäuser, die verschiedene Dienstleistungen bündeln und den Bewohnern gleichzeitig als Nachbarschaftstreff dienen. Hier sind besonders auch Mobilitätsfunktionen wie Ticketverkauf von Bus und Bahn oder Buchungsmöglichkeiten von Rufbussen und Mitfahroptionen stärker konzeptionell umzusetzen.
Ein weiterer bereits weit verbreiteter Lösungsansatz besteht in der Substitution stationärer durch mobile Dienstleistungen: Das heißt, das Produkt oder die Dienstleistung wird zum Kunden gebracht.
Öffentlicher Verkehr und Individualverkehr besser verknüpfen
Die öffentliche Hand sollte in erster Linie den öffentlichen Verkehr (ÖV) als Aufgabe der Daseinsvorsorge zukunftsfähig weiterentwickeln. Dies ist durch neue, flexible Bedienformen wie etwa Rufbusse, Kombinationen von Personen- und Güterverkehr oder durch die Verknüpfung verschiedener Mobilitätsoptionen beispielsweise an lokalen Mobilitätspunkten realisierbar. Daneben sollte die öffentliche Hand aus Sicht der Studienautoren insbesondere auch individuelle Mobilitätslösungen stärker unterstützen und mit dem ÖV besser verknüpfen.
Neue Finanzierungswege und effizienter Mitteleinsatz nötig
Die IGES-Experten empfehlen, die ÖV-Finanzierung neuzugestalten, indem etwa die öffentlich zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel des ÖV stärker gebündelt werden. Bewährt hat sich dies bereits in den Ländern Brandenburg oder Sachsen-Anhalt. Zudem sollten Elemente der Nutznießerfinanzierung sowie die Nutzung von Finanzierungsströmen außerhalb des ÖV, beispielsweise durch die Entwicklung von Zukunftskonzepten zur Gesundheitsmobilität, stärker diskutiert werden.
Privates Engagement zur Mobilitätssicherung nutzen
Auch privates Engagement kann zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum beitragen, wie die Studie zeigt. Dazu gehören Aktivitäten nach dem Prinzip „Bürger fahren für Bürger“ wie Bürgerbusse oder Mitnahmeverkehre, die zukünftig stärker auch in Form lokaler Mitfahrplattformen organisiert werden könnten. Daneben sind sowohl der Trend der sogenannten Sharing-Economy („Teilen bzw. Nutzen statt Besitzen“) als auch privatwirtschaftliches Engagement weitere Lösungsansätze.
Bedeutung des privaten Pkw berücksichtigen
Verschiedene empirische Untersuchungen des IGES Instituts zur Mobilität im ländlichen Raum belegen: Das Auto ist nach wie vor der deutliche Mobilitäts-Marktführer unter allen Verkehrsträgern im ländlichen Raum. Dies müssen zukunftsfähige Mobilitätslösungen berücksichtigen. Daher sollte der Fokus etwa auf die Erhaltung und Erhöhung der Fahrkompetenz der Bewohner ländlicher Räume sowie auf die Entwicklung lokaler Sharing-Systeme gelegt werden.