Angebotsinitiative für die Verkehrswende: gute ÖPNV-Qualität in jedem Dorf garantieren
Der Anteil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) am motorisierten Verkehr ließe sich mithilfe eines verbesserten Angebots in den kommenden Jahren nahezu verdoppeln. Dies würde maßgeblich zur Verkehrswende und zur Einhaltung der gesetzten Klimaschutzziele beitragen sowie für mehr Teilhabe außerhalb von Ballungsräumen sorgen. Nötig sind einheitliche und verbindliche Mobilitätsstandards. Dazu gehört ein garantiertes ÖPNV-Angebot in jedem Ort beispielsweise ab 500 Einwohnern.
Berlin, 14. Mai 2020 (IGES Institut) - Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des IGES Instituts zur Zukunftsfähigkeit öffentlicher Mobilität außerhalb von Ballungsräumen im Auftrag des ADAC. Darin entwickeln IGES-Verkehrsexperten Mobilitäts- und Erreichbarkeitsstandards, die mehr Menschen zur ÖPNV-Nutzung bewegen und zugleich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Diese Standards würden aber auch maßgeblich dazu beitragen, innenpolitische Ziele einer gleichwertigen Versorgung von Stadt und Land zu realisieren. Derartige einheitliche und verbindliche Festlegungen, die in anderen Ländern wie etwa der Schweiz bereits in ersten Ansätzen üblich sind, existieren in Deutschland derzeit nicht.
Nachweisbarer Mangel beim ÖPNV-Angebot
Wie groß der Bedarf nach einem besseren ÖPNV-Angebot ist, zeigen Analysen am Beispiel Niedersachsen und Brandenburg im Rahmen der Studie. In rund 14 Prozent der sehr dünn besiedelten Gemeinden stehen den Bewohnern täglich nur ein bis vier ÖPNV-Verbindungen zum nächsten Mittel- oder Oberzentrum zur Verfügung. Während der Schulferien verschlechtert sich das Angebot noch weiter. Die Folge: 70 Prozent aller Wege erfolgen dort per Pkw. Nur rund fünf Prozent werden mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt.
Mehr Akzeptanz und mehr Nutzung wird der ÖPNV künftig nur mit Hilfe einer Angebotsinitiative erfahren. In Anlehnung an das Nachfragemodell der Standardisierten Bewertung definieren die IGES-Experten in ihrer Studie dafür Mobilitätsstandards, mit denen sich der Modal-Split-Anteil des öffentlichen Verkehrs in Regionen außerhalb von Ballungsgebieten von derzeit sechs bis acht Prozent auf gut 17 Prozent verdoppeln bis verdreifachen ließe.
Angebotsinitiative mit Ein-Stunden-Takt
So sollte ab einer Gemeindegröße von beispielsweise 500 Einwohnern ein ÖPNV-Angebot vorgehalten werden. Dies würde bedeuten, dass künftig verpflichtende Mindeststandards zu einem garantierten Mobilitätsniveau im Sinne einer Erschließungspflicht führen. Geboten werden sollte mindestens ein durchgängiger Ein-Stunden-Takt, etwa von sechs bis 22 Uhr, losgelöst von Ferien oder Schulzeiten und mit zusätzlichen Fahrten zu Hauptverkehrszeiten.
Auch neue Mobilitätsformen einplanen
Dabei sollten neben klassischen ÖPNV-Angeboten wie Bussen und Bahnen auch neue flexible Formen wie „On Demand“-Angebote zum Einsatz kommen. Aber auch Mobilitätsformen wie Ride-, Car- oder Bike-Sharing oder über Mobilitätspattformen organisierte Angebote wie Mitfahrbörsen oder Fahrtenpooling sollten integriert werden. Die IGES-Experten sprechen dabei von einem erweiterten Verständnis des ÖPNV. Es sollte daher vom Öffentlichen Verkehr (ÖV) gesprochen werden, der die genannten Mobilitätsformen integriert mitdenken soll.
Die Standards sollten den IGES-Empfehlungen zufolge auf Bundesebene definiert und den Ländern und ihren Aufgabenträgern verbindlich vorgegeben werden. Die Finanzverantwortung für diese verbindlichen Mindestvorgaben sollte zentral organisiert sein, etwa unter Beteiligung des Bundes.