IGES-Fachtreffen: Neue Erstattungsmodelle für Gentherapien immer wichtiger
Neuen Vertragsmodellen bei der Erstattung hochinnovativer Arzneimittel räumen Experten weltweit eine steigende Bedeutung ein. Dabei geht es vor allem um erfolgsabhängige Vergütungsmodelle für Gen- und Zelltherapien. Die europäischen Gesundheitssysteme bieten dabei stellenweise besonders interessante Möglichkeiten, erfolgsabhängige Erstattungsmodelle zu implementieren. Das ist das Fazit einer Veranstaltung der IGES Gruppe auf der Bio Convention 2019, der weltgrößten Konferenz für die Lifes-Sciences- und Biotechbranche.
Berlin, 7. Juni 2019 (IGES Institut) - Bei der Fachveranstaltung mit dem Titel „Innovative Contracting in Cell and Gene Therapies in Europe“ ging es um neue Gentherapeutika, die sich oft nur an kleine Patientengruppen richten und mit hohen Preisen einhergehen, gleichzeitig aber therapeutisch den bisherigen Behandlungsmöglichkeiten weit überlegen sind. Einige dieser Therapien bieten in vielen bisher nicht behandelbaren Therapiesituationen eine Chance auf Heilung. Andere haben das Potenzial, eine oft jahrzehntelange symptomatische Behandlung überflüssig zu machen. Laut einer IGES-Prognose aus dem Jahr 2018 stehen rund 40 Präparate vor der Marktzulassung.
Herausforderung für nationale Gesundheitssysteme weltweit
Gleichzeitig sind diese innovativen Therapien mit hohen Kosten für nationale Gesundheitssysteme verbunden. Grund sind die meist niedrigen Patientenzahlen stark zielgerichteter Therapieansätze oder die fehlende Möglichkeit, bei Einmalgaben die Entwicklungskosten auf einen langen Behandlungszeitraum zu verteilen. Vor diesem Hintergrund werden neue Vergütungsmodelle entwickelt, die im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion auf der BIO standen.
„Es besteht in vielen Industrienationen ein großes Interesse an der Implementierung erfolgsabhängiger Vergütungsmodelle. Sowohl in den USA als auch in Europa sind die ersten solcher Pay-for-Outcome-Modelle bereits implementiert. Auch die nationalen HTA-Systeme in Europa befinden sich in einer Transformation, um zukünftig mit der typischen Evidenz neuartiger oder stark zielgerichteter Therapien besser umgehen zu können“, sagte der IGES-Bereichsleiter Value & Access Strategy, Fabian Berkemeier.
Im Panel standen unterschiedliche Erstattungsmodelle wie Ratenzahlungsmodelle, Rückzahlungsmodelle und adaptive Preismodelle im Fokus. Dabei wurde insbesondere das Spannungsfeld zwischen nationalen Unterschieden bei den Evidenzanforderungen und einer möglichst weitgehenden Harmonisierung von Registeranforderungen aus Zulassungsprozess und nationalen Erstattungssystemen intensiv diskutiert.
Neue Erstattungsmodelle sollen Patientenzugang zu Innovationen sichern
Auch der Bereich Integration von Evidenz aus anwendungsbegleitenden Datenerhebungen in bestehende HTA-Systeme einerseits und innovative Erstattungsmodelle andererseits war Thema. Sonalee Agarwal (VP, Head of Value Evidence & Strategy, Alnylam Pharmaceuticals) und Jie Zhang (Head of Global Value and Access Cell & Gene, Novartis) schilderten dabei ihre Erfahrungen aus erster Hand bei der Verhandlung und Implementierung erfolgsabhängiger Erstattungsmodelle.
Deutlich wurde während der Diskussion, dass sowohl auf Seiten der Kostenträger als auch auf Seite der Industrie ein großes Interesse besteht, über innovative Vergütungsmodelle einen möglichst frühen und flächendeckenden Patientenzugang zu neuartigen Therapien zu gewährleisten.
Thema Einführung eines Referenzpreissystems in den USA
Bei einer zweiten, ebenfalls von IGES organisierten Veranstaltung stand der aktuelle Vorschlag eines Referenzpreissystems für Infusionsarzneimittel (Medicare Part B) der Trump Administration im Fokus. Dieser sieht die Referenzierung eines Durchschnittspreises aus 20 Industrienationen für die ausgabenstärksten 27 Arzneimittel vor. Für diese Medikamente lag der US-Preis laut Berkemeier durchschnittlich 80 Prozent über dem internationalen Durchschnittspreis, woraus 47 Prozent höhere Arzneimittelausgaben für das staatliche Medicare System resultieren würden. Die Umsetzung eines solchen Referenzpreissystems hätte Berkemeier zufolge große Auswirkungen sowohl auf die US-Arzneimittelerstattung als auch erhebliche Rückwirkungen auf Europa. Zur Umsetzung bedarf es keiner Zustimmung des US-Kongresses.
Fokus richtet sich auf europäische Preisfindungs- und Erstattungssysteme
„Im Falle der Einführung eines Referenzpreissystems in den USA kommt der richtigen Markteinführungsstrategie für Europa eine immense Bedeutung zu, um negative Auswirkungen für den Patientenzugang insbesondere in Europa zu verhindern oder zumindest zu minimieren.“, stellte Fabian Berkemeier fest. Auch hochinnovative globale Biotech-Unternehmen mit starkem Fokus auf den US-amerikanischen Markt beschäftigen sich vor diesem Hintergrund verstärkt mit den Preisfindungs- und Erstattungssystemen in Europa. Neben Berkemeier stellte Alexander Natz, Generalsekretär European Confederation of Pharmaceutical Entrepreneurs EUCOPE, unter der Moderation von Claudia Englbrecht, Director BIO Deutschland, eine Reihe zentraler Entwicklungen und Charakteristika nationaler Systeme vor.
Die IGES Gruppe nahm bereits zum vierten Mal an dem Fachtreffen teil. Die Gruppe gehörte zur Ausstellungspräsenz der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg. Insgesamt waren auf der Bio Convention vom 3. bis 6. Juni 2019 rund 1.800 Aussteller und mehr als 15.000 Besucher anzutreffen.