Analyse: ambulante Pflege wird in Ausbildung oder Studium nur unzureichend behandelt
Unterricht in der Pflegeausbildung oder Pflegestudium adressiert bisher nur unzureichend die häusliche Pflege. Es existieren zwar für Aus-, Fort- und Weiterbildungen stellenweise entsprechende Lehreinheiten in einzelnen Bundesländern. Aber sowohl für Auszubildende und Studierende als auch für Lehrpersonen ist dies schwer zu identifizieren und praktisch umzusetzen. In einigen Lehrplänen werden die Besonderheiten des Settings ambulante Pflege sogar gar nicht behandelt.
Berlin, 18. November 2024 (IGES Institut) - Das zeigt eine Recherche für das Forschungsprojekt „Lern- und Arbeitsort Häuslichkeit“ des IGES Instituts für das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Ziel des bis 2026 laufenden Vorhabens ist es, die Rahmenbedingungen sowie Lehrinhalte für das Setting ambulante Pflege weiterzuentwickeln und zu erproben, um mehr Nachwuchskräfte für diesen Bereich zu gewinnen und auch darin zu halten.
Nur fünf Landeslehrpläne für Pflege beziehen ambulante Pflege ein
Basis für die Recherche waren unter anderem Landeslehrpläne, über die zum Zeitpunkt der Recherchen nur acht Bundesländer verfügen. In in fünf von ihnen sind Verweise, Fall- oder Good-Practice-Beispiele mit relevanten Bezügen zur ambulanten Pflege enthalten. Dies ist in Bayern, Bremen, Hamburg, Thüringen und Sachsen der Fall. In einigen Bundesländern existieren zudem Handreichungen für die Entwicklung von Curricula, die Hinweise für die ambulante Pflege enthalten.
Das IGES-Team schaute sich außerdem fast 70 Pflegestudiengänge an und werteten fast 50 Modulhandbücher aus. Nur in zehn davon fanden sich genauere Formulierungen mit ausführlicher Beschreibung zu Lehreinheiten der ambulanten Pflege, etwa als eigenständiger Teil in einem Modul oder als Darstellung von Besonderheiten im ambulanten Setting.
Pflegeexperten für mehr Austausch mit praktisch tätigen Pflegefachpersonen
Für das Projekt befragte Pflegeexpertinnen und -experten bewerteten vor dem Hintergrund der Rechercheergebnisse die bisherige Ausbildungs- oder Studiensituation für die ambulante Pflege als unzureichend. Dringend nötig sei ein stärkerer Praxisbezug, der auch durch einen besseren Austausch mit praktisch tätigen Pflegefachpersonen erreicht werden kann. So könnten spezifische Lernsituationen wie die Beratung einer älteren Person mit COPD, die eine Raucherentwöhnung skeptisch betrachtet, als Ansatz für praxisorientiertes Lernen dienen – insbesondere mit Blick auf die besonderen Herausforderungen in der häuslichen Umgebung, wie die Sicherheitsrisiken durch Sauerstofftanks in einem Raucherhaushalt und den Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Pflegefachpersonen.
Rolle als Gast in Haushalten mit Pflegebedürftigen adressieren
Inhaltlich sollten Aspekte wie die Besonderheiten des Arbeitens in der Häuslichkeit und damit einhergehende Herausforderungen der Rolle als Pflegefachperson „zu Gast sein“, Hygiene oder Bedingungen zum Umsetzen des rückenschonenden Arbeitens, Notfallsituationen oder Sprachkonflikte behandelt werden. Aber auch methodische Aspekte wie selbstorganisiertes Lernen, digitale Entwicklungen oder Befähigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von ambulanten Pflegediensten zur Betreuung von Auszubildenden und Studierenden sollten behandelt werden.
Erprobung von neuen Lehrinhalten für ambulante Pflege startet 2026
Derzeit wertet das IGES-Projektteam bundesweite Online-Befragungen von verschiedenen Akteuren aus Pflege und Pflegeausbildung aus, welche im kommenden Jahr veröffentlicht werden. Lernsituationen für die berufliche und hochschulische Ausbildung für den Lern- und Arbeitsort Häuslichkeit werden derzeit formuliert und bereits in Praxisworkshops mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Praxis (Hochschulen, Pflegeschulen, Fort- und Weiterbildungsträger, ambulante Pflege- und Betreuungsdienste, Auszubildende und Studierende zur Pflegefachperson) im Oktober 2024 weiterentwickelt. Eine erste Erprobung und Evaluation der Lehr- und Lerneinheiten für den Lern- und Arbeitsort Häuslichkeit ist ab Februar/März 2026 in Hoch- und Pflegeschulen geplant.