Hebammenstudie Sachsen: Maßnahmen für bessere Versorgung mit Hebammen

In Sachsen gibt es derzeit keinen flächendeckenden Versorgungsmangel an Hebammen, jedoch punktuelle Engpässe vor allem in Städten. So ist es etwa für jede zehnte Schwangere schwer oder sogar sehr schwer, eine Hebamme für die Schwangeren- oder Wochenbettbetreuung zu finden. Nach einer erlebten Geburt wünschen sich zudem bis zu 15 Prozent der Mütter für künftige Geburten eine umfangreichere Hebammenbetreuung. Dies könnte künftig jedoch schwieriger werden, da zahlreiche Hebammen überlegen, ihren Beruf aufzugeben oder Arbeitszeit zu reduzieren.

Titel der Studie: Hebammenstudie Sachsen

Hintergrund: Die Versorgungssituation in der Hebammenhilfe sowie die Arbeitsbelastung von Hebammen werden seit einigen Jahren sowohl bundesweit als auch in Sachsen diskutiert. Es gibt Berichte von Versorgungsengpässen und Schließung von Kreißsälen. Umfassende Daten zu einer objektiven Beurteilung der aktuellen Lage fehlen jedoch.

Fragestellung: Wie ist der aktuelle Stand der Versorgung mit Hebammen in Sachsen? Mit welchem Bedarf ist im Jahr 2030 zu rechnen? Wie kann die künftige Versorgung gesichert werden?

Methode: Literaturanalyse, Analyse statistischer Daten, quantitative Befragung von Müttern, Hebammen, Krankenhäusern und Berufsfachschulen, qualitative Experteninterviews.

Ergebnisse: In Sachsen gibt es derzeit keinen flächendeckenden Versorgungsmangel mit Hebammen, sondern nur punktuelle Engpässe. Erhebliche Arbeitszeitausweitung der Hebammen in den vergangenen Jahren hat dies ermöglicht. Die Versorgungssituation ist jedoch gefährdet, da aktuell zahlreiche Hebammen über einen Ausstieg oder eine Arbeitszeitreduzierung nachdenken.

Autoren: Dr. Monika Sander, Dr. Martin Albrecht, Ender Temizdemir
    
Auftraggeber: Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz

Schlagwörter: Hebammen, Hebammenversorgung, Geburtshilfe, Sachsen

Berlin, 18. April 2019 (IGES Institut) - Das zeigt eine Studie des IGES Instituts für das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, für die Hebammen, Mütter und Krankenhäuser in Bezug auf ihre Erfahrungen im Jahr 2017 befragt wurden. Die interviewten Mütter hatten zwischen Oktober 2016 und September 2017 ein Kind geboren. Im Mittelpunkt der Hebammenstudie Sachsen stand das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage von Hebammenleistungen.

Rund drei Viertel sowohl der freiberuflich als auch der angestellt tätigen Hebammen arbeiten derzeit mehr als gewünscht, weil sie sich in den vergangenen Jahren gezwungen sahen, ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Nötig hatten dies steigende Geburtenzahlen aber auch Personalmangel gemacht.

Jede fünfte Hebamme denkt an Arbeitszeitreduzierung

Trotz dieser Arbeitszeitausweitung meint mehr als jede zweite angestellt tätige und jede fünfte freiberuflich tätige Hebamme, Frauen nicht so betreuen zu können, wie sie es für richtig halten. In ähnlicher Anzahl berichten sie von deutlich angestiegener Arbeitsbelastung. Diese angespannte Situation hat zur Folge, dass mehr als jede fünfte freiberuflich tätige Hebamme oft und sogar sehr oft daran denkt, Arbeitszeit zu reduzieren. Jede Siebte überlegt sogar, ganz aufzugeben. Bei den angestellten Hebammen war es jede Dritte, die an weniger Arbeitszeit denkt, und jede Vierte, die über einen Ausstieg nachdenkt. Weitere Motive für diese Überlegungen sind hohe Sozialabgaben, Unvereinbarkeit von Arbeit und Familie aber auch zu geringes Einkommen. Auch in anderen Bundesländern zeigt sich diese Problematik, wie weitere IGES-Studien zur Hebammenversorgung etwa für Sachsen-Anhalt oder Bayern zeigen.

Vor allem die Wochenbettbetreuung - die am häufigsten angebotene Leistung von Hebammen - planen Geburtshelferinnen, künftig weniger anzubieten. Es sind aber nur sie, die diese elementare Leistung erbringen können. Vier Prozent der Mütter in Sachsen fehlte eine derartige Begleitung im Jahr 2017, zum Teil, weil Hebammen ausgebucht waren. Jede zehnte Mutter hatte zudem keine Hebammenbetreuung während der Schwangerschaft, weil angefragte Hebammen ausgebucht waren.

14 Vorschläge für die künftige Versorgung mit Hebammenleistungen

Insgesamt betrachtet attestieren die IGES-Experten Sachsen zwar aktuell nur punktuelle Versorgungsengpässe. Sie sehen das gegenwärtige Versorgungsniveau jedoch angesichts geplanter Leistungseinschränkungen bei den Hebammen als gefährdet an. Deshalb raten sie unter anderem dazu zu, eine bereits initiierte Plattform für eine bessere Vermittlung von Hebammenleistungen weiter zu fördern, eine verlässliche Erfassung der Angebote aufzubauen oder an der Etablierung von hebammengeleiteten Kreißsälen mitzuwirken. Die Studie schlägt insgesamt 14 Maßnahmen vor, die das Ministerium eigenen Angaben zufolge alle umsetzen will.

In Sachsen waren 2017 geschätzt – eine einheitliche Datenquelle fehlt - 1020 Hebammen tätig, davon laut der Befragung 59 Prozent freiberuflich. Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der freiberuflich tätigen Hebammen arbeiten in Vollzeit, bei den ausschließlich angestellten waren es 44 Prozent.

In Sachsen gab es im Jahr 2017 knapp 37.000 Geburten. Die Zahl stieg in den vergangenen Jahren im Vergleich zum Bundesschnitt überproportional, allerdings regional sehr unterschiedlich. Vor allem in Städten wie Leipzig, Chemnitz oder Dresden gab es zweistellige Zuwachsraten. Die IGES-Experten gehen für das Jahr 2030 zwischen 29.000 bis 31.000 Geburten, weil die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter stark sinken wird. Knapp 96 Prozent der befragten Mütter brachte ihr letztgeborene Kind im Krankenhaus zur Welt. Davon hatten rund sechs Prozent eine Beleghebamme in 1:1-Betreuung.

Wissenschaftler des IGES Instituts haben auch die Versorgung mit Hebammenleistungen in anderen Bundesländern untersucht:

In Sachsen-Anhalt (2018): Hebammenstudie Sachsen-Anhalt

In Bayern (2018): Studie zur Hebammenversorgung in Bayern

In Thüringen (2016): Hebammenversorgung in Tübingen

Bundesweit (2012): Versorgungssituation in der außerklinischen Hebammenhilfe